Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Entscheid: UV.2022.00135 [8C_384/2023 vom 04.04.2023]

Sozialversicherungsgericht

des Kantons Zürich

UV.2022.00135


IV. Kammer

Sozialversicherungsrichter Hurst, Vorsitzender
Sozialversicherungsrichterin Fankhauser
Ersatzrichter Sonderegger
Gerichtsschreiberin Leicht

Urteil vom 27. März 2023

in Sachen

X.___

Beschwerdeführer


vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rolf Schmid

Schwager Schmid Giusto, Rechtsanwälte

Sonneggstrasse 55, Postfach 2267, 8021 Zürich


gegen


Suva

Rechtsabteilung

Postfach 4358, 6002 Luzern

Beschwerdegegnerin









Sachverhalt:

1.    Der 1960 geborene X.___ war seit dem 1. Dezember 1982 als Baufacharbeiter in einem 100%-Pensum bei der Y.___ AG angestellt und obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert, als er am 28. Februar 2019 Leitplanken mit der Motortrennfräse trennte, das Blatt sich verkeilte und zurückschlug. Dabei erlitt der Versicherte eine Schnittverletzung in der rechten Gesichtshälfte (Urk. 8/1). Anlässlich der gleichentags erfolgten notfallmässigen Zuweisung mittels Sanität in die Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie des Universitätsspitals Z.___ wurde die Diagnose einer komplexen Verletzung des Gesichts rechts mit Eröffnung des Sinus maxillaris, allschichtiger Durchtrennung der Oberlippe rechts und Eröffnung der lateralen Nasenwand gestellt. Es wurde gleichentags eine notfallmässige Operation durchgeführt und der Versicherte wurde am 4. März 2019 aus dem Spital entlassen (Urk. 8/5 und Urk. 8/8). Die Suva kam für die Heilbehandlung auf und richtete Taggelder aus. Am 23. April 2020 teilte sie dem Versicherten mit, dass sie die Heilkosten- und Taggeldleistungen per 31. Mai 2020 einstellen werde (Urk. 8/211). Mit Verfügung vom 5. Mai 2020 verneinte sie einen Anspruch des Versicherten auf eine Invalidenrente. Wie hoch die Schädigung der körperlichen Integrität ausfalle, könne frühestens zwei Jahre nach dem Unfallereignis abschliessend beurteilt werden, weshalb über die Höhe der Integritätsentschädigung zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werde (Urk. 8/226). Die dagegen erhobene Einsprache des Versicherten (Urk. 8/244) wurde mit Einspracheentscheid vom 28. August 2020 abgewiesen (Urk. 8/250). Auf die dagegen erhobene Beschwerde des Versicherten trat das hiesige Gericht mit Beschluss vom 28. Oktober 2020 mangels Rechtzeitigkeit nicht ein (Urk. 8/254).

    Am 24. Februar 2021 holte die Suva bei ihrem Kreisarzt eine medizinische Beurteilung des Integritätsschadens ein (Urk. 8/256). Mit Verfügung vom 9. März 2021 sprach sie dem Versicherten eine auf einer Integritätseinbusse von 5 % beruhende Integritätsentschädigung zu (Urk. 8/258). Dagegen erhob der Versicherte mit Eingabe vom 22. April 2021 Einsprache (Urk. 8/260). Daraufhin nahm die Suva ihre Verfügung vom 9. März 2021 zurück und tätigte ergänzende medizinische Abklärungen (Urk. 8/262 ff.). Mit Verfügung vom 11. Februar 2022 hielt sie an der auf einer Integritätseinbusse von 5 % beruhenden Integritätsentschädigung fest (Urk. 8/290). Die dagegen erhobene Einsprache des Versicherten (Urk. 8/294) wies sie mit Einspracheentscheid vom 20. Juni 2022 ab (Urk. 8/301 = Urk. 2).


2.    Dagegen erhob der Versicherte mit Eingabe vom 9. August 2022 Beschwerde und beantragte, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei ihm eine Integritätsentschädigung auf der Basis einer Integritätseinbusse von 50 % auszurichten. Eventualiter sei die Integritätseinbusse durch ein Gutachten zu bestimmen (Urk. 1 S. 2). Mit Beschwerdeantwort vom 14. September 2022 beantragte die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde (Urk. 7), was dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 15. September 2022 zur Kenntnis gebracht wurde (Urk. 9).


3.    Auf die Vorbringen der Parteien und die eingereichten Unterlagen ist, soweit für die Entscheidfindung erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen einzugehen.



Das Gericht zieht in Erwägung:

1.    

1.1    Erleidet die versicherte Person durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat sie Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung (Art. 24 Abs. 1 UVG). Die Integritätsentschädigung wird in Form einer Kapitalleistung gewährt. Sie darf den am Unfalltag geltenden Höchstbetrag des versicherten Jahresverdienstes nicht übersteigen und wird entsprechend der Schwere des Integritätsschadens abgestuft (Art. 25 Abs. 1 UVG).

Nach Art. 25 Abs. 2 UVG regelt der Bundesrat die Bemessung der Entschädigung. Von dieser Befugnis hat er in Art. 36 UVV Gebrauch gemacht. Abs. 1 bestimmt, dass ein Integritätsschaden als dauernd gilt, wenn er voraussichtlich während des ganzen Lebens mindestens in gleichem Umfang besteht; er ist erheblich, wenn die körperliche, geistige oder psychische Integrität, unabhängig von der Erwerbsfähigkeit, augenfällig oder stark beeinträchtigt wird. Gemäss Abs. 2 gelten für die Bemessung der Integritätsentschädigung die Richtlinien des Anhangs 3. Fallen mehrere körperliche, geistige oder psychische Integritätsschäden aus einem oder mehreren Unfällen zusammen, so wird die Integritätsentschädigung nach der gesamten Beeinträchtigung festgesetzt. Die Gesamtentschädigung darf den Höchstbetrag des versicherten Jahresverdienstes nicht übersteigen und bereits nach dem Gesetz bezogene Entschädigungen werden prozentual angerechnet (Abs. 3). Voraussehbare Verschlimmerungen des Integritätsschadens werden angemessen berücksichtigt. Revisionen sind nur im Ausnahmefall möglich, wenn die Verschlimmerung von grosser Tragweite ist und nicht voraussehbar war (Abs. 4).

1.2    Im Anhang 3 zur UVV hat der Bundesrat Richtlinien für die Bemessung der Integritätsschäden aufgestellt und in einer als gesetzmässig erkannten, nicht abschliessenden Skala (BGE 124 V 29 E. 1b mit Hinweisen) häufig vorkommende und typische Schäden prozentual gewichtet. Für die darin genannten Integritätsschäden entspricht die Entschädigung im Regelfall dem angegebenen Prozentsatz des Höchstbetrages des versicherten Verdienstes (Ziff. 1 Abs. 1). Die Entschädigung für spezielle oder nicht aufgeführte Integritätsschäden wird nach dem Grad der Schwere vom Skalenwert abgeleitet (Ziff. 1 Abs. 2). Integritätsschäden, die gemäss der Skala 5 % nicht erreichen, geben keinen Anspruch auf Entschädigung (Ziff. 1 Abs. 3). Die völlige Gebrauchsunfähigkeit eines Organs wird dem Verlust gleichgestellt; bei teilweisem Verlust und teilweiser Gebrauchsunfähigkeit wird der Integritätsschaden entsprechend geringer, wobei die Entschädigung jedoch ganz entfällt, wenn der Integritätsschaden weniger als 5 % des Höchstbetrages des versicherten Verdienstes ergäbe (Ziff. 2).

1.3    Die Medizinische Abteilung der Suva hat in Weiterentwicklung der bundesrätlichen Skala weitere Bemessungsgrundlagen in tabellarischer Form (sog. Feinraster) erarbeitet. Diese von der Verwaltung herausgegebenen Tabellen stellen zwar keine Rechtssätze dar und sind für das Gericht nicht verbindlich, umso weniger als Ziff. 1 Abs. 1 von Anhang 3 zur UVV bestimmt, der in der Skala angegebene Prozentsatz des Integritätsschadens gelte im Regelfall, welcher im Einzelfall Abweichungen nach unten wie nach oben ermöglicht. Soweit sie jedoch lediglich Richtwerte enthalten, mit denen die Gleichbehandlung aller Versicherten gewährleistet werden soll, sind sie mit dem Anhang 3 zur UVV vereinbar (BGE 124 V 29 E. 1c, 116 V 156 E. 3a; Urteil des Bundesgerichts 8C_316/2022 vom 31. Januar 2023 E. 6.1.1 mit Hinweisen).

1.4    Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Darlegung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1, 125 V 351 E. 3a mit Hinweis; Urteil des Bundesgerichts 9C_529/2021 vom 26. Juli 2022 E. 3.2.1).

    Nach der Rechtsprechung kommt auch den Berichten und Gutachten versicherungsinterner Ärztinnen und Ärzte Beweiswert zu, sofern sie als schlüssig erscheinen, nachvollziehbar begründet sowie in sich widerspruchsfrei sind und keine Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit bestehen (BGE 125 V 351 E. 3b/ee). Das Anstellungsverhältnis einer versicherungsinternen Fachperson zum Versicherungsträger alleine lässt nicht schon auf mangelnde Objektivität und Befangenheit schliessen (BGE 137 V 210 E. 1.4, 135 V 465 E. 4.4). Soll ein Versicherungsfall jedoch ohne Einholung eines externen Gutachtens entschieden werden, so sind an die Beweiswürdigung strenge Anforderungen zu stellen. Bestehen auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen, so sind ergänzende Abklärungen vorzunehmen (BGE 145 V 97 E. 8.5, 142 V 58 E. 5.1, 139 V 225 E. 5.2, 135 V 465 E. 4.4 und E. 4.7).

    Reine Aktengutachten sind beweiskräftig, sofern ein lückenloser Befund vorliegt und es im Wesentlichen nur um die fachärztliche Beurteilung eines an sich feststehenden medizinischen Sachverhalts geht, mithin die direkte ärztliche Befassung mit der versicherten Person in den Hintergrund rückt (Urteil des Bundesgerichts 8C_750/2020 vom 23. April 2021 E. 4 mit Hinweisen).


2.    

2.1    Im angefochtenen Entscheid erwog die Beschwerdegegnerin, mit Verfügung vom 5. Mai 2020 habe sie einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem erlittenen Unfall und den psychischen Beschwerden des Beschwerdeführers verneint, was mit Einspracheentscheid vom 28. August 2020 rechtskräftig bestätigt worden sei. Deshalb seien die psychischen Beschwerden bei der Beurteilung der Integritätsentschädigung ausser Acht zu lassen. In der Stellungnahme vom 14. April 2021 gehe Dr. A.___ von einem Integritätsschaden zwischen
30 und 40 % aus. Nachdem in der Skala von Anhang 3 zur UVV sogar der Verlust der Nase lediglich mit 30 % bewertet werde, erscheine die Einschätzung von Dr. A.___ als nicht plausibel. Dr. B.___ halte in ihrer Stellungnahme vom 8. März 2022 fest, die wässrige Sekretion könne im Zusammenhang mit dem Unfall stehen, weshalb diese nur als mögliche Unfallfolge betrachtet werde und bei der Beurteilung des Integritätsschadens nicht berücksichtigt werden könne. In Anbetracht der genannten Behandlungsmöglichkeiten fehle es zudem am Nachweis der Lebenslänglichkeit. Die von Neurologe Dr. C.___ beschriebenen Sensibilitätsstörungen am Nasenflügel und an der Oberlippe rechts sowie die leichte Bewegungseinschränkung am rechten Mundwinkel seien in die kreisärztliche Beurteilung miteinbezogen worden. Es bestehe kein Anlass, von den kreisärztlichen Beurteilung abzuweichen (Urk. 2 S. 7 ff.).

2.2    Der Beschwerdeführer machte demgegenüber im Wesentlichen geltend, er sei weder von Dr. D.___ noch von Dr. E.___ persönlich untersucht worden. Diese befassten sich ausschliesslich mit der Narbe bzw. der Sensibilitätsstörung und liessen die wässrigen Sekretionen aus der Nase und die geklagten Beschwerden aufgrund der erlittenen posttraumatischen Belastungsstörung unberücksichtigt. Die Suva-Tabelle 18 gehe bei Ekzemen bzw. Entzündungen der oberen Hautschichten (Dermatosen) ohne Gesichtsbeteiligung von einer Integritätseinbusse im Umfang von 40 % und bei einer Depigmentierung im Gesicht von einer solchen von 30 % aus. Wenn neben der Gesichtsnarbe, die mit einer Dermatose vergleichbar sei, auch das unberechenbare Nasenlaufen sowie die eingeschränkte Mundbeweglichkeit berücksichtigt würden, sei eine Integritätseinbusse von insgesamt bloss 5 % nicht gerechtfertigt. Da der Anspruch auf Integritätsentschädigung unabhängig von der Erwerbsfähigkeit bestehe, seien die Erwägungen im Zusammenhang mit der Invaliditätsbemessung, welche zur Abweisung der Einsprache vom 2. Juni 2020 geführt hätten, für das vorliegende Einspracheverfahren nicht bindend. Gestützt auf die Suva-Tabelle 19 und die Einschätzung der behandelnden Psychiaterin sei beim Beschwerdeführer von einer rein psychisch bedingten Integritätseinbusse im Umfang von zwischen 20 und 50 % auszugehen. Aufgrund der Beurteilungen der behandelnden Ärzte Dr. A.___ (angenommene Integritätseinbusse 30 bis 40 %) und Dr. F.___ (angenommene Integritätseinbusse 20 bis 50 %) sei eine Gesamteinbusse von 50 % ausgewiesen (Urk. 1 S. 4 ff.).

2.3    In ihrer Beschwerdeantwort vom 14. September 2022 führte die Beschwerdegegnerin ergänzend aus, wenn in der Tabelle 18 für eine Depigmentierung im Gesicht ein Wert von 30 % vorgesehen sei, heisse dies deshalb nicht, dass jede noch so kleine Depigmentierung einen Integritätsschaden von 30 % darstelle. Vielmehr sei nach dem Ausmass der Depigmentierung zu differenzieren (Urk. 7 S. 3).


3.    

3.1    Kreisarzt Dr. med. D.___, Facharzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, führte in seiner Beurteilung des Integritätsschadens vom 24. Februar 2021 aus, gemäss Tabelle 18 (Integritätsschaden bei Schädigung der Haut) wäre eine fehlende Nase mit 30 % und schwere Entstellungen im Gesicht mit bis zu 50 % zu entschädigen. Im vorliegenden Fall sei mit der Fotodokumentation vom 16. Oktober 2019 eine schräg verlaufende Narbe am rechten Nasenflügel mit leichter Einziehung und ohne Narbendehiszenz zu erkennen. Diese Narbe verlaufe in ähnlichem Winkel wie die Nasolabialfalte. Eine schwere Entstellung des Gesichts sei nicht zu erkennen. In Kombination mit den angegebenen und beschriebenen Parästhesien und Hypästhesien erscheine daher im Quervergleich eine Entschädigung von 5 % als gerechtfertigt (Urk. 8/256).

3.2    Dr. med. F.___, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, nannte in ihrem Bericht vom 19. März 2021 zuhanden des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1). Sie führte aus, das Leben des Beschwerdeführers sei nach wie vor durch die PTBS Symptomatik geprägt: Albträume, ausgeprägte Schlaflosigkeit, soziale Isolierung, depressive Stimmungslage, Antriebslosigkeit, Kraftlosigkeit, Müdigkeit, Erschöpfung, Zunahme von körperlichen Beschwerden sowie grosse Angst vor der Zukunft. Das Zustandsbild sei andauernd mit Unsicherheit, Verzweiflung und Misstrauen verbunden. Sie (Dr. F.___) sei mit einer Integritätsentschädigung von 5 % nicht einverstanden. Aufgrund der oben beschriebenen Symptome brauche der Beschwerdeführer eine 50%ige Integritätsentschädigung. Eine Integritätsentschädigung von 5 % bei so einer schweren Verletzung und infolgedessen entstandenen psychischen Beschwerden könne nicht akzeptiert werden (Urk. 8/260/15).

3.3    Dr. med. A.___, Facharzt für Allgemeine und Innere Medizin, hielt in seinem Bericht vom 14. April 2021 zuhanden des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers fest, er bestätige, dass der Beschwerdeführer weiterhin unter einer Hypästhesie im Nasen-Wangenbereich rechts und in der rechten Oberlippe leide. Wiederkehrend träten hier auch Schmerzen auf, dies in Abhängigkeit vom Essen und der Umgebungstemperatur. Wiederkehrend tropfe es ohne Vorwarnung auch aus der rechten Nasenseite, was sehr störend sei und im Alltag zu sehr unangenehmen Situationen führe. Der Lippenschluss sei vollständig. Die Beweglichkeit des Mundes sei aber eingeschränkt, so sei Pfeifen nicht mehr möglich. Aufgrund des Quervergleichs mit den in der Suva-Liste aufgeführten Integritätsschäden, bei der etwa eine Depigmentierung im Gesicht mit 30 % bewertet werde, gehe er im Falle des Unfallschadens beim Beschwerdeführer von einem Wert zwischen 30 bis 40 % aus. Begründet sei dies einerseits durch die störenden Hypästhesien im Nasen-Wangen- und Oberlippenbereich rechts, durch die wiederkehrenden Gesichts-Schmerzen und andererseits durch das häufige akute Nasenlaufen, das er selber jeweils nicht bemerke und das sozial unverträglich sei (Urk. 8/260/14).

3.4    Dr. med. B.___, Fachärztin für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten
(Oto-Rhino-Laryngologie, ORL), führte in ihrem Bericht vom 11. Juni 2021 zuhanden der Beschwerdegegnerin aus, der Beschwerdeführer leide an diversen Folgen nach den schweren Gesichtsverletzungen, die er sich im Februar 2019 zugezogen habe. Aus hals-, nasen-, ohrenärztlicher Sicht stünden eine Nasenatmungsbehinderung rechts sowie eine Schleimhauttrockenheit im Vordergrund. Des Weiteren bestehe seit dem Unfall eine Sensibilitätsstörung im Wundgebiet und es komme durch unspezifische Reize zu einem plötzlichen Nasenlaufen, welches der Beschwerdeführer wegen der Hypästhesie nicht bemerke. Er getraue sich deswegen kaum mehr unter Menschen. Daneben komme es im Bereich der Narbe über der Nase intermittierend zu einer Schwellung und zu Schmerzen. Die funktionellen psychischen und sozialen Einschränkungen seien für den Beschwerdeführer sehr ausgeprägt (Urk. 8/270).

3.5    Dr. med. C.___, Facharzt für Neurologie, hielt in seinem Bericht vom 17. Juni 2021 zuhanden der Beschwerdegegnerin fest, bei Status nach komplexer Gesichtsverletzung sei der Beschwerdeführer aktuell vor allem noch durch Sensibilitätsstörungen am Nasenflügel und an der Oberlippe rechts sowie durch eine leichte Bewegungseinschränkung am rechten Mundwinkel gestört. Die Sensibilitätsstörungen könnten als Hypästhesie und Allodynie eingeordnet werden. Eine Symptomverstärkung mit leichten Schmerzen trete auch bei Berührung oder z.B. durch kühle Nahrung oder Luftzug auf. Insbesondere Pfeifbewegungen mit dem Mund seien eingeschränkt (Urk. 8/269).

3.6    Dr. med. G.___, Facharzt für Dermatologie, führte in seinem Bericht vom 14. November 2021 zuhanden der Beschwerdegegnerin aus, aus ästhetischer Sicht stehe die Narbe am rechten Nasenrücken im Vordergrund. Ob diese für den Beschwerdeführer störend oder beeinträchtigend sei, sei unklar und sehr subjektiv. Dermatologisch betrachtet sei für das Ausmass der Verletzungen die Wundheilung sehr gut gelungen. Es bestünden noch diverse Optimierungsmöglichkeiten der Narbe, welche eine optische Besserung der Narbe ermöglichten (Urk. 8/282).

3.7    Suva-Ärztin Dr. med. H.___, Fachärztin für Ohren-, Nasen und Halskrankheiten (Oto-Rhino-Laryngologie, ORL), hielt in ihrer Beurteilung vom 30. November 2021 fest, aus ORL-ärztlicher Sicht bestehe kein unfallbedingter entschädigungspflichtiger Integritätsschaden. Eine anatomisch bedingte posttraumatische Nasenatmungsbehinderung könne, falls vom Beschwerdeführer gewünscht, noch operativ verbessert werden, sodass diesbezüglich kein Endzustand erreicht sei. Die nasale Hypersekretion stehe nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in kausalem Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Diese werde jedoch durch die allfällig unfallbedingte Sensibilitätsstörung vom Beschwerdeführer nicht mehr bemerkt, sodass er vom Tropfen der Nase überrascht werde und sich dadurch im sozialen Kontext beeinträchtigt fühle (Urk. 8/287).

3.8    Suva-Arzt Dr. med. E.___, Facharzt für Neurologie, führte in seiner Beurteilung vom 31. Januar 2022 aus, das neurologische Fachgebiet betreffend könne zusammenfassend festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach dem Unfall vom 28. Februar 2019 mit grosser Schnittwunde der rechten Gesichtsseite und Narbe im Bereich der rechten Nase und rechten Oberlippe einvernehmlich der Einschätzung durch PD Dr. I.___ unter einer persistierenden Hypästhesie und Parästhesien im Narbenbereich, wahrscheinlich im Rahmen der Durchtrennung sensibler Nervenäste im Narbenbereich, sowie einer Läsion des Nervus alveolaris rechts in kausalem Zusammenhang mit dem Unfall im Sinne einer residuellen Defektheilung leide. Diesbezüglich sei nicht mehr mit einer wesentlichen Besserung zu rechnen. Aus neurologischer Sicht stehe die Sensibilitätsstörung verbunden mit Schmerzen gemäss Einschätzung von PD Dr. I.___ jedoch nicht im Vordergrund. Abgestützt auf diese Einschätzung sei aus neurologischer und versicherungsmedizinischer Perspektive die Einschätzung des Integritätsschadens durch Dr. D.___ angemessen. Auch unter Berücksichtigung der nach der Einschätzung durch Dr. D.___ eingegangenen medizinischen Dokumente könne am geschätzten Integritätsschaden in der Höhe von 5 % festgehalten werden (Urk. 8/289).

3.9    Dr. B.___ hielt in ihrem Bericht vom 8. März 2022 zuhanden des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers fest, die wässrige Sekretion sei nicht typisches Zeichen einer Septumdeviation. Ohne Vorliegen einer Infektion oder einer Allergie passe diese am ehesten zu einer Störung der Nervenregulation (vasomotorische Rhinopathie), welche im Zusammenhang mit dem Unfall stehen könne, insbesondere da sie nur rechts bestehe (Urk. 8/295).


4.    

4.1    Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin den Integritätsschaden des Beschwerdeführers aufgrund des Unfalles vom 28. August 2019 zu Recht auf 5 % festsetzte.

4.2    In Bezug auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachten psychischen Beschwerden stellt sich zunächst die Frage, ob diese in einem adäquaten Kausalzusammenhang zum Unfallereignis vom 28. Februar 2019 stehen.

4.2.1    Wie der Beschwerdeführer zutreffend festhält (Urk. 1 S. 7), sind die Erwägungen im rechtskräftigen Entscheid der Beschwerdegegnerin vom 28. August 2020, mit welchem der Anspruch auf eine Invalidenrente verneint wurde, bezüglich des adäquaten Kausalzusammenhangs im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht bindend. Nach der Rechtsprechung erwächst der Entscheid nur in jener Form in Rechtskraft, wie er im Urteilsdispositiv zum Ausdruck kommt, doch ergibt sich dessen Tragweite vielfach erst aus einem Beizug der Urteilserwägungen, namentlich im Falle einer Klageabweisung. Nicht zur Urteilsformel gehören die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Erwägungen des Entscheids. Sie haben in einer anderen Streitsache keine bindende Wirkung. Gleiches gilt für Feststellungen zu präjudiziellen Rechtsverhältnissen oder sonstigen Vorfragen sowie für weitere Rechtsfolgen, die sich aus dem Inhalt des Urteils mit logischer Notwendigkeit ergeben. Sie sind bloss Glieder des Subsumtionsschlusses, die für sich allein nicht in materielle Rechtskraft erwachsen (BGE 121 III 474 E. 4a; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 8C_652/2019 vom 18. Februar 2020 E. 3.3.1 mit weiteren Hinweisen).

4.2.2    Die Beschwerdegegnerin hat den Unfall in ihrem Einspracheentscheid vom 28. August 2020 als mittelschweren Unfall im engeren Sinne qualifiziert, was mit Blick auf die Rechtsprechung angesichts des objektiv erfassbaren Unfallherganges nicht zu beanstanden ist (vgl. Kasuistik in: Rumo-Jungo/Holzer, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, 4. Auflage 2012, S. 65 ff.). Ein adäquater Kausalzusammenhang kann somit nur bejaht werden, wenn drei der massgebenden Adäquanzkriterien erfüllt sind oder eines besonders ausgeprägt vorliegt.

    In Bezug auf die Prüfung der rechtsprechungsgemäss erforderlichen Adäquanzkriterien nach Massgabe von BGE 115 V 133 Psycho-Praxis») kann auf die zutreffenden Erwägungen der Beschwerdegegnerin im Einspracheentscheid vom 28. August 2020 verwiesen werden (Urk. 8/251 S. 5 f.). So erachtete sie höchstens eines, nämlich dasjenige der besonders dramatischen Begleitumstände, als erfüllt, jedoch nicht in besonders ausgeprägter Weise, was nicht zu bemängeln ist und auch beschwerdeweise nicht beanstandet wurde. Der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den psychischen Beschwerden ist daher zu verneinen, womit die Frage nach dem natürlichen Kausalzusammenhang offenbleiben kann. Da die heute allenfalls bestehenden psychischen Beschwerden dem Unfall vom 28. August 2019 jedenfalls rechtlich nicht zugeordnet werden können, hat die Beschwerdegegnerin dafür keine Leistung im Sinne einer Integritätsentschädigung zu erbringen.

    Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch bei Beeinträchtigungen der psychischen Integrität nur dann Anspruch auf eine Integritätsentschädigung besteht, wenn die Schädigung dauernd ist, mithin voraussichtlich während des ganzen Lebens mindestens in gleichem Umfang besteht (vgl. E. 1.1). Nach der Rechtsprechung ist eine eindeutige individuelle Langzeitprognose, welche für das ganze Leben eine Änderung durch Heilung oder Besserung des Schadens praktisch ausschliesst, erforderlich. Bei Unfällen im mittleren Bereich lässt sich jedoch die Dauerhaftigkeit des Integritätsschadens in der Regel verneinen, ohne dass in jedem Einzelfall eine nähere Abklärung von Art und Dauerhaftigkeit des psychischen Schadens vorzunehmen wäre. Etwas anderes gilt nur ausnahmsweise, namentlich im Grenzbereich zu den schweren Unfällen, wenn aufgrund der Akten erhebliche Anhaltspunkte für eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung der psychischen Integrität bestehen, die einer Besserung nicht mehr zugänglich zu sein scheint (BGE 124 V 29 E. 5c/bb; Urteil des Bundesgerichts 8C_68/2021 vom 6. Mai 2021 E. 4.2 mit Hinweisen).

4.3    Der Beschwerdeführer macht für die physische Integritätseinbusse eine höhere Integritätsentschädigung geltend.

4.3.1    Diesbezüglich stützte sich die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen auf die kreisärztlichen Aktenbeurteilungen, welche gestützt auf die den Verlauf seit dem Ereignis vom 28. Februar 2019 lückenlos dokumentierenden Berichte der behandelnden Ärzte vorgenommen wurden. Diese erfüllen die von der Rechtsprechung verlangten Anforderungen an eine beweiskräftige Entscheidungsgrundlage. Der Umstand, dass Dr. D.___ und Dr. E.___ keine eigenen Untersuchungen durchführten – wie der Beschwerdeführer moniert (Urk. 1 S. 4) -, vermag den Beweiswert ihrer Beurteilungen nicht zu schmälern, zumal es einen feststehenden medizinischen Sachverhalt zu erörtern galt, ohne dass zusätzliche Untersuchungen notwendig gewesen wären. Praxisgemäss kann unter diesen Voraussetzungen auch ein reines Aktengutachten voll beweiswertig sein (vgl. vorne E. 1.4).

4.3.2    Kreisarzt Dr. D.___ gelangte in seiner Beurteilung vom 24. Februar 2021 zum Schluss, in der Fotodokumentation vom 16. Oktober 2019 sei eine schräg verlaufende Narbe am rechten Nasenflügel mit leichter Einziehung und ohne Narbendehiszenz zu erkennen. Diese Narbe verlaufe in ähnlichem Winkel wie die Nasolabialfalte. Eine schwere Entstellung des Gesichts sei nicht zu erkennen. In Kombination mit den angegebenen und beschriebenen Parästhesien und Hypästhesien erscheine daher im Quervergleich eine Entschädigung von 5 % als gerechtfertigt (vgl. vorne E. 3.1).

    In Bezug auf die Narbe im Gesicht hielt Dermatologe Dr. G.___ fest, dass die Wundheilung dermatologisch betrachtet sehr gut gelungen sei und noch diverse Optimierungsmöglichkeiten der Narbe bestünden (vgl. vorne E. 3.6). Gemäss Tabelle 18 der von der Suva herausgegebenen Richtlinien betreffend Integritätsschaden (Integritätsschaden bei Schädigung der Haut) werden eine Depigmentierung im Gesicht und der vollständige Verlust der Nase mit 30 % bewertet. Damit kann die fotografisch dokumentierte unauffällige Narbe im Gesicht des Beschwerdeführers in keiner Weise gleichgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung von Dr. A.___, wonach ein Integritätsschaden von 30 bis 40 % vorliegen soll, nicht nachvollziehbar. Damit vermag er die Beurteilung von Kreisarzt Dr. D.___ in keinerlei Hinsicht in Zweifel zu ziehen.

    Der Beschwerdeführer rügt, die kreisärztlichen Beurteilungen befassten sich nicht mit der wässrigen Sekretion aus der Nase bzw. der von Dr. B.___ in Erwägung gezogenen vasomotorischen Rhinopathie (Urk. 1 S. 5 f.). Dr. B.___ führte aus, im Wundgebiet komme es durch unspezifische Reize zu einem plötzlichen Nasenlaufen, welches der Beschwerdeführer wegen der Hypästhesie nicht bemerke (vgl. vorne E. 3.4). Dr. H.___ gelangte zum Schluss, dass die nasale Hypersekretion nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in kausalem Zusammenhang mit dem Unfallereignis stehe. Aus ORL-ärztlicher Sicht bestehe kein unfallbedingter entschädigungspflichtiger Integritätsschaden. In Übereinstimmung mit Dr. B.___ hielt sie fest, die nasale Hypersekretion werde durch die Sensibilitätsstörung vom Beschwerdeführer nicht mehr bemerkt, sodass er vom Tropfen der Nase überrascht werde und sich dadurch im sozialen Kontext beeinträchtigt fühle (vgl. vorne E. 3.7). Die Aussage von Dr. B.___ in ihrem Bericht vom 8. März 2022, wonach eine allenfalls vorliegende vasomotorische Rhinopathie im Zusammenhang mit dem Unfall stehen könne (vgl. vorne E. 3.9), genügt nicht für den Nachweis eines Kausalzusammenhangs, zumal die Ätiologie der Erkrankung unklar ist und diverse auslösende Faktoren in Frage kommen. Ausserdem bestehen Behandlungsmöglichkeiten. Aufgrund der medizinischen Aktenlage erstellt ist, dass der Beschwerdeführer das durch unspezifische Reize verursachte Nasenlaufen wegen der Hypästhesie nicht bemerkt. Da die Hypästhesie in der kreisärztlichen Einschätzung des Integritätsschadens berücksichtigt wurde, besteht kein Anlass für weitere Abklärungen. So kam Kreisarzt Dr. E.___ aus neurologischer Perspektive unter Berücksichtigung der gesamten medizinischen Aktenlage zum Schluss, dass die Einschätzung des Integritätsschadens durch Dr. D.___ angemessen sei (vgl. vorne E. 3.8). Dass sich Neurologe Dr. E.___ nicht zum Vorliegen einer vasomotorischen Rhinopathie äusserte, wie er Beschwerdeführer moniert (Urk. 1 S. 6), ist dadurch zu erklären, dass es sich dabei um ein Beschwerdebild der ORL handelt.

4.4    Nach dem Gesagten kann auf die nachvollziehbaren und schlüssigen kreisärztlichen Beurteilungen abgestellt werden. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die zu einer Integritätsentschädigung Anlass gebenden Unfallfolgen seien zu wenig abgeklärt, ist unbegründet.

    Die von der Beschwerdegegnerin festgesetzte Integritätsentschädigung auf der Basis einer Integritätseinbusse von 5 % erweist sich angesichts der Unfallfolgen als angemessen. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.



Das Gericht erkennt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Das Verfahren ist kostenlos.

3.    Zustellung gegen Empfangsschein an:

- Rechtsanwalt Dr. Rolf Schmid

- Suva

- Bundesamt für Gesundheit

4.    Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG).

    Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen.

    Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat (Art. 42 BGG).


Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich


Der VorsitzendeDie Gerichtsschreiberin




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