Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich |
UV.2022.00114
II. Kammer
Sozialversicherungsrichterin Grieder-Martens, Vorsitzende
Sozialversicherungsrichterin Käch
Ersatzrichterin Lienhard
Gerichtsschreiber Brühwiler
Urteil vom 15. Dezember 2022
in Sachen
X.___ AG
Hauptsitz, Abteilung Recht & Compliance
Beschwerdeführerin
gegen
Unfallversicherung Stadt Zürich
Stadelhoferstrasse 33, Postfach, 8022 Zürich
Beschwerdegegnerin
weitere Verfahrensbeteiligte:
Y.___
Beigeladene
Sachverhalt:
1. Y.___, geboren 1963, war ab dem 1. Januar 2019 als Angestellte im Etagenservice beim Stadtspital Z.___ tätig und als solche bei der Unfallversicherung der Stadt Zürich (nachfolgend: Unfallversicherung) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen und gegen Berufskrankheiten versichert. Am 11. Januar 2022 wurde der Unfallversicherung gemeldet, Y.___ sei am 14. Dezember 2021 positiv auf das Coronavirus getestet worden (Urk. 8/G001). Mit Verfügung vom 20. April 2022 (Urk. 8/G009) lehnte die Unfallversicherung die Übernahme von Leistungen bezüglich der geltend gemachten Berufskrankheit ab. Eine dagegen von der Krankenversicherung der Versicherten, X.___ AG (nachfolgend: X.___), am 29. April 2022 erhobene Einsprache (Urk. 8/X001) wies die Unfallversicherung mit Entscheid vom 4. Mai 2022 ab (Urk. 8/X003 = Urk. 2).
2. Gegen den Einspracheentscheid vom 4. Mai 2022 (Urk. 2) erhob die X.___ am 7. Juni 2022 Beschwerde mit den Anträgen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die die Unfallversicherung sei zu verpflichten, die Covid-19-Erkrankung ihrer Versicherungsnehmerin als Berufskrankheit anzuerkennen und für die der Versicherten in diesem Zusammenhang entstandenen Kosten aufzukommen. Eventuell sei die Sache zu weiteren Abklärungen zurückzuweisen (Urk. 1 S. 2).
Die Unfallversicherung schloss mit Vernehmlassung vom 7. September 2022 (Urk. 7) auf Abweisung der Beschwerde, was der Beschwerdeführerin am 15. September 2022 zur Kenntnis gebracht wurde (Urk. 9).
Mit Gerichtsverfügung vom 6. Oktober 2022 (Urk. 10) wurde die Versicherte zum Prozess beigeladen. Diese liess sich innert angesetzter Frist nicht vernehmen, weshalb Verzicht auf Stellungnahme angenommen wurde (vgl. Urk. 10 Dispositiv Ziffer 2).
Das Gericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG) werden bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten Versicherungsleistungen gewährt.
1.2 Nach Art. 9 Abs. 1 UVG gelten als Berufskrankheiten Krankheiten, die bei der beruflichen Tätigkeit ausschliesslich oder vorwiegend durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten verursacht worden sind. Der Bundesrat erstellt die Liste dieser Stoffe und Arbeiten sowie der arbeitsbedingten Erkrankungen. Gestützt auf diese Delegationsnorm und Art. 14 der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV) hat er im Anhang I zur UVV eine Liste der schädigenden Stoffe und der arbeitsbedingten Erkrankungen erstellt. Nach der Rechtsprechung ist eine «vorwiegende» Verursachung von Krankheiten durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten gegeben, wenn diese mehr wiegen als alle anderen mitbeteiligten Ursachen, mithin im gesamten Ursachenspektrum mehr als 50 % ausmachen (Urteil des Bundesgerichts 8C_22/2019 vom 24. September 2019 E. 8.2.2.1 mit Hinweis). «Ausschliessliche» Verursachung hingegen meint praktisch 100 % des ursächlichen Anteils der schädigenden Stoffe oder bestimmten Arbeiten an der Berufskrankheit (BGE 119 V 200 E. 2a mit Hinweis).
Das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs ist also erfüllt, wenn die Krankheit zu mehr als 50 Prozent durch einen im Anhang 1 zur UVV erwähnten schädigenden Stoff oder eine erwähnte Arbeit verursacht worden ist (BGE 119 V 200 E. 2a; Urteil des Bundesgerichts U 410/05 vom 3. April 2007 E. 2 in: SVR 2007 UV Nr. 27 S. 91). Das Bundesgericht hat diesbezüglich sodann festgehalten, dass ein vorwiegend beruflicher Ursprung der Erkrankung anzunehmen ist, wenn aufgrund epidemiologischer Fakten feststeht, dass für die betroffene Person die berufsbedingte Exposition gegenüber der schädlichen Substanz eine Verdoppelung des Risikos, krank zu werden, mit sich bringt (BGE 133 V 421 E. 5.1, Urteil des Bundesgerichts U 245/05 vom 1. Dezember 2005 E. 3.2). Ob dies im Einzelfall so ist, muss mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit dargetan werden (Urteil des Bundesgerichts 8C_326/2018 vom 7. November 2018 E. 4.3.1 mit Hinweis auf: Alexandra Rumo-Jungo/André Pierre Holzer, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, 4. Aufl. 2012, S. 93).
Als Berufskrankheiten gelten nach Art. 9 Abs. 2 UVG auch andere Krankheiten, von denen nachgewiesen wird, dass sie ausschliesslich oder stark überwiegend durch berufliche Tätigkeit verursacht worden sind. Diese Generalklausel bezweckt, allfällige Lücken zu schliessen, die dadurch entstehen könnten, dass die bundesrätliche Liste gemäss Anhang I zur UVV entweder einen schädigenden Stoff, der eine Krankheit verursachte, oder eine Krankheit nicht aufführt, die durch die Arbeit verursacht wurde. Nach der Rechtsprechung ist die Voraussetzung des «ausschliesslichen oder stark überwiegenden» Zusammenhangs gemäss Art. 9 Abs. 2 UVG erfüllt, wenn die Berufskrankheit mindestens zu 75 % durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden ist (BGE 119 V 200 E. 2b mit Hinweis). Dabei sind an die Annahme einer Berufskrankheit relativ strenge Anforderungen zu stellen. Verlangt wird, dass die Versicherte für eine gewisse Dauer einem typischen Berufsrisiko ausgesetzt ist. Die einmalige gesundheitliche Schädigung, die gleichzeitig mit der Berufsausübung eintritt, genügt nicht. Für die Beurteilung der Exposition (oder Arbeitsdauer) ist die gesamte ausgeübte Berufstätigkeit zu berücksichtigen (BGE 126 V 183 E. 2b mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 8C_295/2012 vom 15. April 2013 E. 2).
Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind gemäss Art. 9 Abs. 3 UVG Berufskrankheiten von ihrem Ausbruch an einem Berufsunfall gleichgestellt. Sie gelten als ausgebrochen, sobald die betroffene Person erstmals ärztlicher Behandlung bedarf oder arbeitsunfähig ist.
1.3
1.3.1 Gemäss der Empfehlung der Ad-hoc-Kommission Schaden UVG, Empfehlung zur Anwendung von UVG und UVV, Nr. 1/2003, Erkrankungen im Sinne von Anhang 1 Ziff. 2 lit. b UVV (nachfolgend: Empfehlung der Ad-Hoc-Kommission [https://www.koordination.ch/fileadmin/files/ad-hoc/2003/01_2003_2020.pdf], Website zuletzt besucht am 8. Dezember 2022), können Erkrankungen, die in Anhang 1 Ziffer 2 lit. b UVV nicht namentlich erwähnt sind, dann Leistungen unter dem Titel Berufskrankheit begründen, wenn
- sich eine Erkrankung medizinisch eindeutig einer der in Anhang 1 Ziffer 2 lit. b UVV erwähnten Gruppen von arbeitsbedingten Erkrankungen zuordnen lässt (wie z.B. Covid-19 den Infektionskrankheiten) und
- die für diese Gruppe von Erkrankungen zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, wie z.B. bei Infektionskrankheiten Arbeiten in Spitälern, Laboratorien, Versuchsanstalten und dergleichen.
Bei Infektionskrankheiten, welche von Mensch zu Mensch übertragen werden, besteht das entscheidende Merkmal der berufsbedingten Exposition gemäss Empfehlung der Ad-Hoc-Kommission darin, dass die konkrete Tätigkeit
- Arbeiten mit infizierten Patienten (Spitäler) oder
- Arbeiten mit einer stark infizierten/infizierenden oder kontaminierten Umgebung (Laboratorien/Versuchsanstalten) bedingt bzw. umfasst.
Das versicherte Gesundheits- und Pflegepersonal der ambulanten und stationären Einrichtungen sowie der Pflegeeinrichtungen ist deshalb dem Spitalpersonal gleichgestellt, soweit es einem spezifischen beruflichen Expositionsrisiko ausgesetzt ist, indem es direkt infizierte Patienten wegen der Infektion in diesen Einrichtungen behandelt und pflegt.
1.3.2 Das Expertenschema «Beweis einer Covid-19-Erkrankung als Berufskrankheit» auf der Website «Koordination Schweiz» (https://www.koordination.ch/de/online-handbuch/uvg/berufskrankheit/listenerkrankungen/#c66148; Website zuletzt besucht am 8. Dezember 2022) enthält zu Art. 9 Abs. 1 UVG folgende Ausführungen:
Ist die versicherte Person mehrheitlich am Arbeitsplatz bei ihrer beruflichen Tätigkeit dem spezifischen Expositionsrisiko des Coronavirus (z. B. Arbeiten in der Covid-19-Intensivstation bzw. in der Covid-19-Pflegeabteilung) ausgesetzt, ist dies im Rahmen des Beweisgrades der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer Berufskrankheit gemäss Anhang 1 Ziff. 2 lit. b UVV. Das alleinige Arbeiten z. B. in einem Spital ohne bewussten Kontakt mit infizierten Personen (z. B. in der Orthopädie oder in der Wäscherei) genügt als alleiniges Argument für den Nachweis einer Berufskrankheit nicht.
Bei der Deckungsprüfung gilt es auch die ausserberuflichen Kontakte abzuklären, beispielsweise:
- Verhalten in der Freizeit vor der Erkrankung (Discobesuch, Chor, u. ä.),
- Kontakt mit infizierten Personen im eigenen Haushalt,
- Kontaktmeldung via Covid-App oder Contact-Tracing.
Massgebend ist der Einzelfall mit Abwägung der Argumente (berufliche oder private Ansteckung), die für oder gegen eine vorwiegende Verursachung bei der beruflichen Tätigkeit sprechen. Bei Beweislosigkeit, wenn so viel dagegen wie dafür spricht (d.h. je 50 %), fällt der Entscheid zu Ungunsten der Partei aus, die aus dem Vorliegen einer Berufskrankheit Rechte ableitet.
1.4 Für den so qualifizierten Kausalzusammenhang trägt die versicherte Person die Beweislast, wenn ein solcher Zusammenhang trotz pflichtgemässer Abklärung des Sachverhalts (Art. 43 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, ATSG) nicht bewiesen werden kann (vgl. RKUV 1988 Nr. U 61 S. 450 f. E. 1b mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts U 557/06 vom 4. Oktober 2007 E. 2; zum im Sozialversicherungsprozess geltenden Untersuchungsgrundsatz vgl. auch Art. 61 lit. c ATSG; BGE 138 V 218 E. 6 mit Hinweisen). Es gilt der Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b mit Hinweisen; vgl. BGE 130 III 321 E. 3.2 und 3.3; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 8C_420/2007 vom 29. Januar 2008 E. 5 und E. 5.3).
Eine Umkehr der Beweislast tritt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur ausnahmsweise dann ein, wenn eine Partei einen Beweis aus Gründen nicht erbringen kann, welche nicht von ihr, sondern von der Behörde zu verantworten sind (BGE 92 I 253 E. 3, 138 V 218 E. 8.1.1 mit Hinweisen).
1.5 Das Gericht kann die Angelegenheit zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückweisen, besonders wenn mit dem angefochtenen Entscheid nicht auf die Sache eingetreten oder der Sachverhalt ungenügend festgestellt wurde (§ 26 Abs. 1 des Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht, GSVGer).
2.
2.1 Die Beschwerdegegnerin begründete den angefochtenen Entscheid (Urk. 2) dahingehend, dass die Versicherte seit zwei Jahren im Etagenservice des Spitals arbeite und ihre Station zu 50 % mit Covid-Patienten gefüllt sei. Ihre Tätigkeit bestehe darin, den Patienten Essen und Trinken zu bringen. Dabei habe die Versicherte die Schutzmassnahmen einhalten können, um sich vor einer Ansteckung zu schützen, wie die letzten zwei Jahre gezeigt hätten. Darüber hinaus sei der Beschwerdegegnerin nicht bekannt, ob die Versicherte sich innerhalb oder ausserhalb des Betriebs mit dem neuen Coronavirus angesteckt habe. Bei dieser Sachlage könne im vorliegenden Einzelfall keine Rede davon sein, dass sich die Versicherte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit oder «sogar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit» während ihrer Tätigkeit angesteckt haben müsse. Eine Vermutung und irgendeine Tätigkeit im Spital reichten nicht aus, um eine Leistungspflicht nach Art. 9 UVG zu begründen (S. 3).
2.2 Die Beschwerdeführerin brachte dagegen vor (Urk. 1), dass die Versicherte zum Zeitpunkt ihrer Ansteckung auf einer Spitalstation gearbeitet habe, die zur Hälfte mit Covid-Patienten belegt gewesen sei. In ihrer Funktion als Etagenservice-Angestellte habe die Versicherte täglich direkten Kontakt mit Covid-positiven Personen gehabt. Sie habe folglich mit infizierten Patienten gearbeitet, womit eine erhebliche Exposition und Ansteckungsgefahr bestanden habe. Auch wenn die Versicherte keine Pflegemassnahmen an den Patientinnen und Patienten vorgenommen habe, liege dennoch ein direkter Kontakt und damit eine erhebliche Ansteckungsgefahr vor. Auch die Tatsache, dass die Versicherte die Schutzmassnahmen habe einhalten können, könne nicht von Belang sein, da die Schutzmassnahmen zwar die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung verringerten, jedoch nicht gänzlich ausschlössen. In Anbetracht der hohen Belegzahl an Covid-Patientinnen und Patienten auf der Station, auf welcher die Versicherte arbeitete, und ihrem täglichen Kontakt zu diesen, müsse davon ausgegangen werden, dass sich die Versicherte während ihrer beruflichen Tätigkeit angesteckt habe. Sie sei damit exponiert und somit einem wesentlich höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt gewesen als der Rest der Bevölkerung (S. 4 f.).
2.3 Vorliegend ist unbestritten, dass die Versicherte im Dezember 2021 an Covid-19 erkrankt ist. Strittig und zu prüfen ist hingegen, ob die Covid-19-Erkrankung der Versicherten als Berufskrankheit anzuerkennen ist und die Beschwerdegegnerin deshalb Leistungen als Unfallversicherer zu erbringen hat.
3.
3.1 Die vom Bundesrat gestützt auf Art. 9 Abs. 1 UVG als Anhang 1 zur UVV erstellten Liste führt unter Ziff. 2 lit. b als arbeitsbedingte Erkrankungen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 des Gesetzes unter anderem auf: Infektionskrankheiten bei Arbeiten in Spitälern, Laboratorien, Versuchsanstalten und dergleichen.
Unbestritten ist, dass es sich bei der Covid-19-Erkrankung um eine Infektionskrankheit gemäss Ziff. 2 lit. b des Anhangs 1 zur UVV handelt. Des Weiteren wird verlangt, dass es sich bei der fraglichen Tätigkeit um «Arbeiten in Spitälern, Laboratorien, Versuchsanstalten und dergleichen» handelt. Auch diese Voraussetzung wird von der Versicherten erfüllt, handelt es sich doch bei der Arbeitgeberin der Versicherten um ein Spital.
3.2 Die Beschwerdegegnerin bringt vor, dass eine Berufskrankheit im Falle einer Covid-19-Erkrankung voraussetze, dass die betroffene Person direkten Kontakt zu infizierten Patienten gehabt habe. Sie beruft sich dabei auf die Empfehlung der Ad-hoc-Kommission Schaden UVG (vgl. vorstehend E. 1.3.1), wonach die Anerkennung einer Berufskrankheit bei Infektionskrankheiten, welche von Mensch zu Mensch übertragen würden, voraussetze, dass die berufsbedingte Exposition darin bestehe, dass die konkrete Tätigkeit mit Arbeiten mit infizierten Patienten (Spitäler) oder Arbeiten mit einer stark infizierten/infizierenden oder kontaminierten Umgebung (Laboratorien/Versuchsanstalten) bedinge beziehungsweise umfasse (Urk. 2 S. 2 f. lit. g und lit. j).
3.3 Die inoffiziellen Empfehlungen der Ad-hoc-Kommission Schaden UVG sind weder eine Verwaltungsverordnung noch stellen sie Weisungen der Aufsichtsbehörde an die Durchführungsorgane dar. Sie weisen demnach keinen Rechtscharakter auf und binden das Gericht daher nicht (Urteil des Bundesgerichts 8C_81/2021 vom 27. Oktober 2021 E. 5.4.3). Sie sind jedoch geeignet, eine rechtsgleiche Praxis sicherzustellen (BGE 147 V 35 E. 5.1.3 in fine), weshalb die Empfehlung Nr. 1/2003 im vorliegenden Fall bei der Anwendung von Anhang 1 Ziffer 2 lit. b UVV zu berücksichtigen ist.
Gemäss Empfehlung der Ad-Hoc-Kommission sei demnach eine Berufskrankheit in Bezug auf Covid-Infektionen lediglich bei Personen anzunehmen, welche bei ihrer Tätigkeit direkt mit infizierten Patienten oder einer stark infizierten/infizierenden oder kontaminierten Umgebung in Kontakt kommen.
3.4 Bei der Tätigkeit der Versicherten, im Spital den Patienten Essen und Trinken zu verteilen, handelt es sich offensichtlich um eine Arbeit in einer Umgebung, in welcher man einem spezifischen Berufsrisiko ausgesetzt war. Dazu kommt, dass die Versicherte aufgrund ihrer Tätigkeit im Etagenservice in gewissem Sinne direkten Kontakt mit Patienten hat beziehungsweise hatte. Somit ist nicht auszuschliessen beziehungsweise liegt ein gewichtiges Indiz vor, dass die Covid-19-Erkrankung der Versicherten als Listenkrankheit gemäss Anhang 1 zur UVV zu qualifizieren sei, die als Berufskrankheit gilt, wenn sie mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 % durch die berufliche Tätigkeit verursacht wurde (vgl. vorstehend E. 1.2). Für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Erkrankungsrisikos am Arbeitsplatz stellt das Bundesgericht auf das sogenannte relative Risiko ab. Das heisst, es ist das Verhältnis der Erkrankungswahrscheinlichkeit zwischen exponierten und nicht exponierten Personen innerhalb einer bestimmten Bevölkerung und Zeiteinheit zu vergleichen, mithin muss das Risiko der Exposition am Arbeitsplatz mehr als 50 % ausmachen, was einem relativen Risiko von mehr als 2 entspricht (Urteil des Bundesgerichts 8C_758/2018 vom 7. Januar 2019 E. 3.1).
3.5 Zur Beurteilung der Frage, ob die Erkrankung der Versicherten vorwiegend bei ihrer beruflichen Tätigkeit erfolgte, ist gestützt auf die vorliegenden Akten von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Die Versicherte arbeitete seit dem 1. Januar 2019 als Angestellte Hotellerie in einem Pensum vom 100 % im Stadtspital Z.___ (Urk. 8/G001). Dabei sei sie unter anderem im Etagenservice tätig gewesen, wobei ihre Tätigkeit darin bestanden habe, den Patienten Essen und Trinken zu bringen. Sie habe nach eigenen Angaben auf einer Station gearbeitet, welche seit zwei Jahren mit 50 % Covid-Patienten gefüllt gewesen sei (Urk. 8/G004 Ziff. 1). Ausserdem gab sie im Frageblatt Covid-19 der Beschwerdegegnerin einzig an, dass sie nebst ihrer beruflichen Tätigkeit keinen Kontakt mit Personen, die positiv getestet oder bereits erkrankt waren, gehabt habe (Urk. 8/G004 Ziff. 10), und dass die Behandlung abgeschlossen sei (Urk. 8/G004 Ziff. 12). Weitere Fragen beantwortete die Versicherte im Frageblatt Covid-19 sowie auch auf Nachfrage hin (vgl. Urk. 8/G006) nicht.
3.6 Unbestrittenermassen trägt das Spitalpersonal, welches die Aufgabe hat, auf der Intensiv- und der regulären Station Covid-19-Patienten zu betreuen, ein spezifisches Expositionsrisiko (vgl. Empfehlungen der Ad-Hoc-Kommission, vorstehend E. 1.3.1). Das spezifische Expositionsrisiko stellt bei Infektionskrankheiten ein sachbezogenes und taugliches Kriterium dar, um Berufskrankheiten von Nicht-Berufskrankheiten abzugrenzen, zumal dieses Kriterium im Rahmen der rechtlichen Vorgaben bleibt und diese lediglich konkretisiert. Nach Lage der Akten ist es nicht ausgeschlossen, dass die Versicherte, obwohl sie selbst keine eigentlichen Pflegemassnahmen an den Patienten vornahm, bei ihrer Tätigkeit auch infizierte Personen aufsuchte, um ihnen Verpflegung zu bringen, da gemäss ihren eigenen Angaben ihre Station zur Hälfte mit Covid-Patienten gefüllt gewesen sei, wobei deren genaue Zahl aber nicht aktenkundig ist (vgl. vorstehend E. 3.4).
Jedoch blieb vorliegend unbeantwortet und ungeklärt, in welcher Form und wie oft die Versicherte die Mahlzeiten und Getränke an die Betten der Patienten lieferte und wie sie sich vor kontaminierten Aerosolen schützen konnte. Namentlich ist unbekannt, welche Schutzvorkehrungen das Spital getroffen hat und über welches Schutzmaterial die Versicherte zur fraglichen Zeit der Ansteckung verfügte. Auch wurde nicht abgeklärt, auf welcher Station (Covid-Intensivstation, Covid-Pflegeabteilung oder ähnliches) mit wie vielen Betten die Versicherte zur fraglichen Zeit gearbeitet hatte, wer alles zum Betreuungsteam gehört hatte und wie, mit wem und wo die Versicherte ihre Pausen verbrachte. Ebenfalls ist nichts bekannt zu ihren ausserberuflichen Kontakten. So fehlt eine Abklärung zu ihrem Freizeitverhalten vor der Erkrankung (Einkauf, Restaurantbesuche, private Treffen, Chor, und ähnliches) oder die Frage nach Kontaktmeldungen via Covid-App oder Contact-Tracing, wie es das Expertenschema «Beweis einer Covid-19-Erkrankung als Berufskrankheit» (vgl. vorstehend E. 1.3.2) vorsieht. Die Versicherte machte nur geltend, sie habe sich in den letzten sechs Monaten vor ihrer Ansteckung nicht im Ausland aufgehalten (Urk. 8/G004 Ziff. 11). Weitere Informationen respektive Abklärungen, wie sie zum Beispiel zur Arbeit fährt (Verkehrsmittel: Auto, öffentlicher Verkehr, etc.) fehlen ebenso. Zu berücksichtigen ist ferner, dass im Dezember 2021 die fünfte Corona-Welle mit hochschnellenden Infektionszahlen wütete, wobei sich im Schnitt 2714 Menschen pro Tag mit dem Virus ansteckten. Im Vergleich zum Höhepunkt der zweiten Welle am 2. November 2020 sank aber die Zahl der Spitaleintritte und der Todesfälle (vgl. Bericht im Tagesanzeiger «So heftig ist die fünfte Corona-Welle im Zeitvergleich [https://interaktiv.tagesanzeiger.ch/2021/corona-wellen-zeitvergleich-schweiz/], aktualisiert am 3. Dezember 2021; vgl. auch Website des Bundesamtes für Gesundheit BAG, COVID-19 Schweiz, Epidemiologischer Verlauf [https://www.covid19.admin.ch/de/epidemiologic/case]; zuletzt besucht am 8. Dezember 2022). Damit wäre eine Infektion ausserhalb des Kontaktes mit Patienten vorliegend nicht ausgeschlossen gewesen, zumal die Spitäler bereits durch die vorangegangenen Wellen hinsichtlich Schutzkonzept erprobt waren, was sich auch darin zeigt, dass sich die Versicherte bis zum Dezember 2021 nicht mit dem Virus angesteckt hatte. Dies im Gegensatz zum Sachverhalt des von der Beschwerdeführerin herangezogenen Gerichtsurteils aus dem Kanton Tessin (Urk. 3/6), in welchem die in einer Pflegeeinrichtung arbeitende versicherte Person bereits am 6. Januar 2021 positiv auf Covid-19 getestet worden war. Zudem wurde darin sowie auch im eingereichten BAG-Schreiben vom 2. Mai 2020 an die Vereinigung Rettungssanitäter Schweiz (Urk. 3/7) ebenfalls hervorgehoben, dass eine Covid-19 Infektion und eine Tätigkeit mit besonderer Risikoexposition alleine nicht ausreichten, um eine Berufskrankheit zu begründen, sondern im Einzelfall dargetan werden müsse, dass die Infektion mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei.
3.7 Sind Infektionsquelle und -zeitpunkt nicht zuverlässig eruierbar, so dass – gestützt auf die vorliegende (zu) dünne Aktenlage - auch nicht gesagt werden kann, eine Ansteckung beim Etagenservice sei gegenüber der möglichen Ansteckung an einem anderen Ort überwiegend wahrscheinlich (vgl. Urteil des Bundesgerichts 8C_326/2018 vom 7. November 2018 E. 4.3.4), kann der Nachweis der vorwiegenden Verursachung allenfalls durch epidemiologische Studien erbracht werden. Massgebend ist dabei das relative Risiko respektive die Prävalenz, das heisst die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung bei exponierten Menschen muss gegenüber der Wahrscheinlichkeit bei nicht exponierten Menschen innerhalb einer bestimmten Bevölkerung und Zeiteinheit mehr als doppelt so hoch sein, wobei die Spitalangestellte mit der Gesamtbevölkerung zu vergleichen wären (Andreas Traub in: Ghislaine Frésard-Fellay/Susanne Leuzinger/Kurt Pärli [Hrsg.], Basler Kommentar zum UVG, Basel 2019, N 38 zu Art. 9 UVG). Eine solche gesamtschweizerische Statistik fehlt vorliegend in den Akten.
3.8 Nach dem Dargelegten erweist sich der Sachverhalt als weiter abklärungsbedürftig. Gemäss dem Untersuchungsgrundsatz hat die Behörde den rechtserheblichen Sachverhalt abzuklären (Art. 43 Abs. 1 ATSG). Diese Untersuchungspflicht dauert dabei so lange, bis über die für die Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichende Klarheit besteht (Urteil des Bundesgerichts 8C_749/2016 E. 4.1). Entsprechend dem Eventualantrag der Beschwerdeführerin (Urk. 1 S. 2 Ziff. 3) ist die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie ergänzende Abklärungen vornimmt.
Hinzuweisen bleibt auf Folgendes: Weil die Berufskrankheit «bei der beruflichen Tätigkeit» verursacht worden sein muss, geht es bei einer Covid-Erkrankung – soll sie zulasten der Unfallversicherung gehen – um eine beweisrechtliche Frage. Es muss mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit aufgezeigt werden, dass die Covid-Erkrankung durch «Arbeiten in Spitälern» etc. verursacht worden ist. Weil die versicherte Person aus diesem Sachverhaltselement Rechte ableiten will, geht eine allfällige Beweislosigkeit zu ihren Lasten (vgl. vorstehend E. 1.4) Was die Frage des Beweises betrifft, kann – wie vorhin ausgeführt - beispielsweise von Bedeutung sein, ob allenfalls statistisch aufgezeigt werden kann, dass bei Personen, die in Spitälern arbeiten, mit deutlich überdurchschnittlicher Höhe eine Covid-Erkrankung auftritt. Dies würde darauf hindeuten, dass bei diesen Personen die Erkrankung eher durch das Arbeiten in Spitälern verursacht wurde. Fehlt es an entsprechenden statistischen Angaben, ist im Einzelfall zu würdigen, ob die Erkrankung eher ausserhalb des Spitals oder eher durch Arbeiten im Spital verursacht wurde.
4. In Aufhebung des angefochtenen Entscheids ist die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie den Sachverhalt weiter abkläre. Danach hat sie über die Frage des Leistungsanspruchs der Versicherten neu zu verfügen. In diesem Sinne ist die Beschwerde gutzuheissen.
5.
5.1 Das Verfahren ist kostenlos.
5.2 Nach ständiger Rechtsprechung gilt die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zur weiteren Abklärung und neuen Verfügung sowohl für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten wie auch der Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen (BGE 137 V 57; vgl. auch BGE 141 V 281 E. 11.1 mit Hinweis). Im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren darf obsiegenden Behörden oder mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen werden. In Anwendung dieses Grundsatzes hat das Bundesgericht der Suva und den privaten UVG-Versicherern sowie – von Sonderfällen abgesehen – den Krankenkassen keine Parteientschädigungen zugesprochen, weil sie als Organisationen mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben zu qualifizieren sind (vgl. BGE 126 V 143 E. 4a; Urteil des Bundesgerichts 8C_780/2016 vom 24. März 2017 E. 9.2, je mit Hinweis).
Soweit die Beschwerdeführerin die Zusprechung einer Parteientschädigung beantragte (Urk. 1 S. 2 Ziff. 4), ist ihr Antrag deshalb unbegründet und daher abzuweisen.
Das Gericht erkennt:
1. Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der angefochtene Einspracheentscheid der Unfallversicherung der Stadt Zürich vom 4. Mai 2022 aufgehoben und die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen wird, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch der Versicherten neu verfüge.
2. Das Verfahren ist kostenlos.
3. Der Beschwerdeführerin wird keine Prozessentschädigung zugesprochen.
4. Zustellung gegen Empfangsschein an:
- X.___ AG
- Unfallversicherung Stadt Zürich
- Y.___
- Bundesamt für Gesundheit
5. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG).
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen.
Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat (Art. 42 BGG).
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Die VorsitzendeDer Gerichtsschreiber
Grieder-MartensBrühwiler