Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich |
UV.2020.00024
I. Kammer
Sozialversicherungsrichterin Fehr, Vorsitzende
Sozialversicherungsrichterin Maurer Reiter
Ersatzrichter Wilhelm
Gerichtsschreiber Würsch
Urteil vom 10. März 2021
in Sachen
X.___, geb. 2011
Beschwerdeführer
gesetzlich vertreten durch die Mutter Y.___
diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Volker Pribnow
DFP & Z, Advokatur
Stadtturmstrasse 10, Postfach 43, 5401 Baden
gegen
SWICA Versicherungen AG
Römerstrasse 37, Postfach, 8401 Winterthur
Beschwerdegegnerin
Sachverhalt:
1. Der 1973 geborene Z.___ sel. war vom 1. April 2011 bis zu seinem Tod bei der A.___ AG angestellt und im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses bei der SWICA Versicherungen AG (nachfolgend: SWICA) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert (Urk. 9/1). Am 4. November 2017 erhängte er sich im Badezimmer der von ihm, seiner Lebenspartnerin Y.___ sowie dem gemeinsamen Sohn X.___ bewohnten Wohnung (Urk. 9/5/6 f.).
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2017 teilte die SWICA der Arbeitgeberin des Versicherten mit, dass sie mit Ausnahme der Vergütung der Bestattungskosten keine Versicherungsleistungen erbringen werde, da der Versicherte freiwillig aus dem Leben geschieden und davon auszugehen sei, dass er im Zeitpunkt der Handlung nicht gänzlich unfähig gewesen sei, vernunftgemäss zu handeln (Urk. 9/6). Nach Eingang zweier Schreiben der durch Rechtsanwalt Volker Pribnow vertretenen, auch im Namen ihres Sohnes handelnden Lebenspartnerin des Versicherten (vgl. Urk. 9/7) vom 10. Januar und 12. Februar 2018 betreffend Hinterlassenenleistungen (Urk. 9/8, 9/10) holte die SWICA beim ehemals behandelnden Arzt des Versicherten, Dr. med. B.___, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, einen Bericht ein (Urk. 9/11), der am 29. Juni 2018 einging (Urk. 9/19). Daraufhin hielt sie mit Schreiben vom 5. Juli 2018 an ihrer Beurteilung fest (Urk. 9/20), worauf die Lebenspartnerin mit Eingabe vom 3. August 2018 die Durchführung weiterer Abklärungen forderte (Urk. 9/21).
Mit Verfügung vom 6. September 2018 verneinte die SWICA mit Ausnahme der Bestattungskosten in der Höhe von maximal Fr. 2'842.-- ihre Leistungspflicht (Urk. 9/24), wogegen die Lebenspartnerin am 8. Oktober 2018 Einsprache erhob (Urk. 9/25). Mit ergänzender Eingabe vom 24. Dezember 2018 (Urk. 9/29) reichte sie ein psychiatrisches Gutachten von Dr. med. C.___, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 22. Dezember 2018 zu den Akten (Urk. 9/28). Die SWICA gelangte in der Folge mit Rückfragen an Dr. B.___ (vgl. Urk. 9/36, 9/38), welche indes unbeantwortet blieben. Mit Entscheid vom 18. Dezember 2018 (richtig: 2019) wies sie die Einsprache ab (Urk. 2 = Urk. 9/39).
2. Dagegen erhob Y.___ im Namen ihres Sohnes am 3. Februar 2020 Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Einspracheentscheid sei aufzuheben und es seien die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen. Eventualiter seien weitere medizinische Abklärungen durch das Sozialversicherungsgericht vorzunehmen. Subeventualiter sei die Sache zur weiteren medizinischen Abklärung und neuen Entscheidung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen (Urk. 1 S. 2). Mit Beschwerdeantwort vom 8. Juni 2020 schloss die Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Beschwerde (Urk. 8 S. 2), worüber die Mutter des Beschwerdeführers mit Verfügung vom 10. Juni 2020 in Kenntnis gesetzt wurde (Urk. 10).
Das Gericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Am 1. Januar 2017 sind die geänderten Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG) und der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV) in Kraft getreten.
Gemäss den allgemeinen übergangsrechtlichen Regeln sind der Beurteilung jene Rechtsnormen zu Grunde zu legen, die in Geltung standen, als sich der zu den materiellen Rechtsfolgen führende und somit rechtserhebliche Sachverhalt verwirklicht hat (vgl. BGE 127 V 466 E. 1, 126 V 134 E. 4b). Dementsprechend sehen die Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 25. September 2015 des UVG vor, dass Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor dem 1. Januar 2017 ereignet haben, und für Berufskrankheiten, die vor diesem Zeitpunkt ausgebrochen sind, nach bisherigem Recht gewährt werden (Absatz 1 der genannten Übergangsbestimmungen).
Der hier zu beurteilende Suizid hat sich am 4. November 2017 ereignet, weshalb die seit dem 1. Januar 2017 gültigen Normen auf den vorliegenden Fall Anwendung finden und in dieser Fassung zitiert werden.
1.2 Die Zusprache von Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung setzt grundsätzlich das Vorliegen eines Berufs- oder Nichtberufsunfalles oder einer Berufskrankheit voraus (Art. 6 Abs. 1 UVG). Ein Unfall ist gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat.
1.3 Hat die versicherte Person den Gesundheitsschaden oder den Tod absichtlich herbeigeführt, so besteht gemäss Art. 37 Abs. 1 UVG mit Ausnahme der Bestattungskosten kein Anspruch auf Versicherungsleistungen. Diese Bestimmung findet indes keine Anwendung, wenn die versicherte Person zur Zeit der Tat ohne Verschulden gänzlich unfähig war, vernunftgemäss zu handeln, oder wenn die Selbsttötung, der Selbsttötungsversuch oder die Selbstverstümmelung die eindeutige Folge eines versicherten Unfalls war (Art. 48 UVV; BGE 140 V 220 E. 3.2).
1.4 Rechtsprechungsgemäss ist aufgrund der Macht des Selbsterhaltungstriebes in der Regel von einer natürlichen Vermutung der Unfreiwilligkeit einer Selbsttötung und damit vom Vorliegen eines Unfalles auszugehen, wenn Zweifel bestehen, ob der Tod eines Versicherten durch Unfall oder Suizid herbeigeführt worden ist. Dass der Versicherte willentlich aus dem Leben geschieden ist, darf daher nur dann als nachgewiesen gelten, wenn gewichtige Indizien jede andere, den Umständen angemessene Deutung ausschliessen. Deshalb ist in solchen Fällen zunächst von der durch den Selbsterhaltungstrieb gegebenen Vermutung auszugehen, es liege keine Selbsttötung vor, und sodann zu fragen, ob derart überzeugende Umstände vorliegen, dass diese Vermutung widerlegt wird. Eine solche Vermutung führt faktisch zu einer Umkehr der Beweislast (Urteile des Bundesgerichts 8C_773/2016 vom 20. März 2017 E. 3.3 und 8C_581/2016 vom 14. Februar 2017 E. 3.3, je mit Hinweisen).
Damit ist im Falle einer Beweislosigkeit zur Frage, ob eine versicherte Person eine Selbsttötung beging oder ob sie unfreiwillig verstorben ist, von einem unfreiwilligen Tod auszugehen. Die Vermutung verbietet aber nicht, aus dem Umstand, dass aufgrund der Sachlage ein unfreiwilliger Tod als weniger wahrscheinlich als ein Suizid erscheint, auf das Vorliegen einer Selbsttötung zu schliessen. Bei mehreren möglichen Varianten hat die Beurteilung, ob ein Suizid oder ein Unfall vorliegt, nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu erfolgen; es müssen nicht alle möglichen Varianten mit Sicherheit ausgeschlossen werden (Urteil des Bundesgerichts 8C_552/2019 Urteil vom 23. Dezember 2019 E. 5.1).
1.5 Die Urteilsfähigkeit der versicherten Person ist in Bezug auf die in Frage stehende konkrete Handlung und unter Würdigung der bei ihrer Vornahme herrschenden objektiven und subjektiven Verhältnisse zu prüfen. Ob die Tat ohne Wissen und Willen erfolgte, ist nicht entscheidend; denn eine Absicht, und sei es auch nur in Form eines völlig unreflektierten, dumpfen Willensimpulses, ist stets festzustellen; sonst liegt keine Selbsttötung respektive kein Suizidversuch vor. Massgeblich ist einzig, ob im entscheidenden Moment jenes Minimum an Besinnungsfähigkeit zur kritischen, bewussten Steuerung der endothymen (das heisst vor allem der triebhaften innerseelischen) Abläufe vorhanden war. Damit eine Leistungspflicht des Unfallversicherers entsteht, muss mit anderen Worten eine Geisteskrankheit, Geistesschwäche oder eine schwere Störung des Bewusstseins nachgewiesen sein, welche im Zeitpunkt der Tat, unter Würdigung der herrschenden objektiven und subjektiven Umstände sowie in Bezug auf die in Frage stehende Handlung, die Fähigkeit gänzlich aufgehoben hat, vernunftgemäss zu handeln. Dazu müssten psychopathologische Symptome wie etwa Wahn, Sinnestäuschungen, depressiver Stupor (plötzlicher Erregungszustand mit Selbsttötungstendenz), Raptus (plötzlicher Erregungszustand als Symptom einer seelischen Störung) ausgewiesen sein. Das Motiv zum Suizid oder Suizidversuch muss sodann aus der geisteskranken Symptomatik stammen, mit anderen Worten muss die Tat «unsinnig» sein. Eine blosse «Unverhältnismässigkeit» der Tat, indem der Suizident seine Lage in depressiv-verzweifelter Stimmung einseitig und voreilig einschätzt, genügt zur Annahme von Urteilsunfähigkeit nicht. Für deren Nachweis ist nicht bloss die zu beurteilende Suizidhandlung von Bedeutung und somit nicht allein entscheidend, ob diese als unvernünftig, uneinfühlbar oder abwegig erscheint. Vielmehr ist auf Grund der gesamten Umstände, wozu das Verhalten und die Lebenssituation der versicherten Person vor dem Selbsttötungsereignis insgesamt gehören, zu beurteilen, ob sie in der Lage gewesen wäre, den Suizid oder Suizidversuch vernunftmässig zu vermeiden oder nicht. Der Umstand, dass die Suizidhandlung als solche sich nur durch einen krankhaften, die freie Willensbetätigung ausschliessenden Zustand erklären lässt, stellt nur ein Indiz für das Vorliegen von Urteilsunfähigkeit dar. An deren Nachweis sind keine strengen Anforderungen zu stellen; er gilt als geleistet, wenn eine durch übermächtige Triebe gesteuerte Suizidhandlung als wahrscheinlicher erscheint als ein noch in erheblichem Masse vernunftgemässes und willentliches Handeln (vgl. Urteil des Bundesgerichts 8C_496/2008 vom 17. April 2009 E. 2.3 mit weiteren Hinweisen).
2.
2.1 Im angefochtenen Einspracheentscheid vom 18. Dezember 2019 hielt die Beschwerdegegnerin zusammengefasst fest, der Versicherte habe sich gemäss Polizeirapport vom 5. November 2017 mit einem Stoffgurt im Badezimmer der eigenen Wohnung erhängt. Ein Unfall könne daher ausgeschlossen werden. Im Weiteren sei nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Suizidhandlung nicht urteilsfähig gewesen sei. So habe er am Vortag des Suizids ein Gespräch mit Dr. B.___ geführt, bei welchem es keine Hinweise auf eine akute Suizidalität gegeben habe. Es sei naheliegend, dass dem Bericht des behandelnden Psychiaters mehr Gewicht beigemessen werden müsse als demjenigen von Dr. C.___, da sich der Versicherte während mehrerer Jahre bei Dr. B.___ in Behandlung befunden und gar am Vortag der Suizidhandlung mit ihm ein Gespräch geführt habe. Der Sachverhalt sei ausreichend erstellt, sodass keine weiteren Abklärungen erforderlich seien (Urk. 2 S. 4 f.).
2.2 Demgegenüber machte die Mutter des Beschwerdeführers mit Beschwerdeschrift vom 3. Februar 2020 im Wesentlichen geltend, das fachärztliche Gutachten von Dr. C.___ beruhe auf allen verfügbaren Informationen. Es werde nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen bei Z.___ sel. die Fähigkeit, vernunftgemäss zu handeln, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vollständig aufgehoben gewesen sei. Die einzig auf punktuellen Kontakten beruhende und die Fremdanamnese auslassende Einschätzung von Dr. B.___ sei auch nach mehrfacher Nachfrage nicht bestätigt worden. In pflichtgemässer Würdigung der vorliegenden fachärztlichen Einschätzungen könne auf das Gutachten von Dr. C.___ abgestellt werden, weshalb dem Beschwerdeführer die gesetzlichen Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung zuzusprechen seien (Urk. 1 S. 8). Sollte dem Gutachten von Dr. C.___ nicht gefolgt werden können, bestehe jedenfalls weitergehender Abklärungsbedarf, namentlich in Form eines externen medizinischen Gutachtens. Dabei seien dem Gutachter diejenigen Fraugen vorzulegen, welche die Beschwerdegegnerin an den behandelnden Arzt gerichtet habe (Urk. 1 S. 10).
3. Es ist unbestritten und ergibt sich zweifelsfrei aus den Akten, dass sich der Versicherte am 4. November 2017 in suizidaler Absicht durch Erhängen das Leben nahm. Seitens der Polizei konnten keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden oder die Mithilfe Dritter gefunden werden (Urk. 9/5/7). Streitig und zu prüfen bleibt somit, ob der Versicherte im Zeitpunkt des Suizids gänzlich unfähig war, vernunftgemäss zu handeln, da nur in diesem Fall von den Bestattungskosten abgesehen Anspruch auf Versicherungsleistungen besteht (Art. 37 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Art. 48 UVV; vgl. vorstehende E. 1.2).
4.
4.1 In seinem undatierten, laut Aktenverzeichnis am 29. Juni 2018 bei der Beschwerdegegnerin eingegangenen Bericht stellte Dr. B.___ in Bezug auf den Versicherten folgende Diagnosen (Urk. 9/19/2):
- bipolare affektive Störung mit gegenwärtig schwerer depressiver Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10 F31.4)
- Bipolar-II-Störung (ICD-10 F31.8).
Zu den seitens der Beschwerdegegnerin am 15. Februar 2018 unterbreiteten Fragen (Urk. 9/11) hielt Dr. B.___ im Weiteren fest, dass sich der Versicherte vom 15. Juni 2015 bis zu seinem Tod am 4. November 2017 episodisch bei ihm in ambulanter psychiatrischer Behandlung befunden habe. Soweit bekannt, sei der Versicherte nie in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen; er habe zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, den Versicherten psychiatrisch zu hospitalisieren. Anfang November 2017 habe eine schwere depressive Episode vorgelegen. Der Versicherte sei wach und zu allen Qualitäten orientiert gewesen. Die Stimmungslage habe sich zwar gedrückt, aber stets als aufhellbar dargestellt. Stark reduziert und subjektiv gehemmt sei das Antriebsniveau gewesen. Es hätten ausgeprägte Ängste bestanden, insbesondere in Bezug auf die berufliche und private Zukunft, jedoch auch immer Hoffnung auf baldige Besserung. Die Gedanken seien bei inhaltlicher Einengung immer um die gleichen Themen gekreist. Ferner hätten eine ausgeprägte Grübelneigung sowie ein sozialer Rückzug vorgelegen. Subjektiv sei von Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen berichtet worden. Es hätten weder Wahrnehmungs- noch inhaltliche Denkstörungen bestanden, namentlich keine Halluzinationen oder Wahn. Zum Zeitpunkt der letzten Untersuchung habe sich der Versicherte klar und deutlich von akuter Suizidalität distanziert. Dieses Zustandsbild habe während der letzten depressiven Episode, welche am 23. Oktober 2017 begonnen habe, durchgehend und unverändert vorgelegen. Während der Behandlung habe der Versicherte nie an psychotischen Symptomen im engeren psychopathologischen Sinne gelitten. Insbesondere hätten zu keinem Zeitpunkt Halluzinationen, ein Wahn oder ein depressiver oder katatoner Stupor eruiert werden können (Urk. 9/19).
4.2 Auf der Grundlage der von Y.___ insbesondere im Rahmen eines persönlichen Gesprächs erhaltenen Informationen gelangte Dr. C.___ in seinem psychiatrischen Gutachten vom 22. Dezember 2018 zur Auffassung, dass die Beschreibung des beobachtbaren Verhaltens und des vom Versicherten vor seinem Tod geäusserten Erlebens gut mit dem Vorliegen einer Bipolar-II-Störung (ICD-10 F31.8) übereinstimme, wie dies durch Dr. B.___ im Bericht festgehalten worden sei (Urk. 9/28/19). Aufgrund der detaillierten Angaben der Lebenspartnerin sei von einer erheblichen psychischen Instabilität des Versicherten zum Zeitpunkt der suizidalen Handlung auszugehen, welche im Rahmen der gestellten Diagnose einzig den Schluss zulasse, dass er sich vor seinem Tod entweder (I) inmitten eines Phasenwechsels von depressiver (ICD-10 F31.4) zu hypomanischer Störung (ICD-10 F31.0) und möglicherweise am Todestag erneut zu depressiver Störung befunden oder (II) an einer gemischten Episode (ICD-10 F31.6) gelitten haben müsse. Beide Möglichkeiten seien mit einem erheblichen Suizidrisiko verbunden (Urk. 9/28/20).
Dr. C.___ bejahte im Weiteren die Frage, ob der Versicherte im Zeitpunkt des Suizids mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gänzlich unfähig gewesen sei, vernunftgemäss zu handeln (Urk. 9/28/22). Der Suizidversuch mit letalem Ausgang sei als impulsiv-krankheitsbedingtes Geschehen zu deuten und erfülle die Kriterien einer bedachten, abgewogenen und abgesprochenen Handlung nicht, wie sie beispielsweise im Rahmen eines assistierten Suizids eines urteilsfähigen und autonom handelnden Menschen vorlägen. Wie die Befragung der Lebenspartnerin deutlich mache, habe der Versicherte nicht bloss an einer schweren manisch-depressiven Erkrankung (ICD-10 F31), sondern auch an einer damit einhergehenden, weitgehend fehlenden Krankheits- und Behandlungseinsicht gelitten. Beide Merkmale seien als Ausdruck der Krankheit zu werten und seien damit nicht steuerungsfähig. Demnach sei der Versicherte zum Zeitpunkt des Suizids nicht in der Lage gewesen, den medizinischen Sachverhalt der eigenen Erkrankung zu verstehen und angemessene Schlüsse daraus herzuleiten, wie beispielsweise die Notwendigkeit einer störungsspezifischen (stationären) Behandlung (fehlende Fähigkeit zur Verarbeitung von Informationen). Der Versicherte sei zudem nicht in der Lage gewesen, die Bedeutung der Suizidalität im Rahmen der eigenen Erkrankung zu bewerten und angemessene Schlüsse daraus zu ziehen, wie beispielsweise die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten bei einer sich entwickelnden suizidalen Krise (fehlende Fähigkeit zur Selbstbestimmung und Äusserung). Das Ausmass der krankheitsbedingt eingebüssten Urteilsfähigkeit werde durch den Beruf des Versicherten besonders deutlich. Es sei davon auszugehen, dass er als Arzt sowohl vertiefte Kenntnisse zur manisch-depressiven Erkrankung als auch zum damit einhergehenden Risiko der Suizidalität gehabt haben müsse, am 4. November 2017 aber gänzlich unfähig gewesen sei, einen rationalen und damit das Überleben sichernden Zugang zu diesen Kenntnissen herzustellen (Urk. 9/28/23).
Zusammenfassend sei der Suizid des Versicherten als impulsiv-krankheitsbedingtes Geschehen im Rahmen einer schweren manisch-depressiven Erkrankung (ICD-10 F31) zu beurteilen, wobei der Versicherte am 4. November 2017 zwar noch zu zielgerichteten Suizidhandlungen fähig gewesen sei, diese aber in der Bedeutung und Konsequenz nicht mehr habe verstehen können (Verlust der Urteilsfähigkeit; Urk. 9/28/23).
4.3
4.3.1 Von fachärztlicher Seite besteht dahingehend Einigkeit, dass der Versicherte vor seinem Tod an einer schweren manisch-depressiven beziehungsweise bipolaren affektiven Störung (ICD-10 F31) litt. Dabei handelt es sich um eine psychische Erkrankung, die durch wiederholte (also mindestens zwei) Episoden charakterisiert ist, in denen Stimmung und Aktivitätsniveau der betreffenden Person deutlich gestört sind. Es treten einmal eine gehobene Stimmung, vermehrter Antrieb und erhöhte Aktivität (Manie oder Hypomanie) auf, dann wieder eine Stimmungssenkung, verminderter Antrieb und verminderte Aktivität (Depression; Dilling/ Mombour/Schmidt [Hrsg.], ICD-10, Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10 Kapitel V (F), Klinisch-diagnostische Leitlinien, 10. Auflage, S. 164). Sowohl im depressiven als auch im manischen Zustand können psychotische Zustände auftreten (vgl. ICD-10 F31.2 und F31.5).
Der behandelnde Psychiater Dr. B.___ konnte anlässlich des letzten therapeutischen Gesprächs mit dem Versicherten am Vortag dessen Suizids (vgl. Urk. 9/28/6, 9/28/15) weder Wahrnehmungs- noch inhaltliche Denkstörungen feststellen, namentlich keine Halluzinationen und keinen Wahn. Er führte des Weiteren aus, dass der Versicherte im Zeitraum der bei ihm ab dem 15. Juni 2015 episodisch wahrgenommenen ambulanten psychiatrischen Behandlung nie an psychotischen Symptomen im engeren psychopathologischen Sinn wie Halluzinationen, Wahn oder depressivem respektive katatonem Stupor gelitten habe (Urk. 9/19). Anhaltspunkte für psychotische Erlebensweisen ergeben sich auch nicht aus dem im Einspracheverfahren eingereichten Gutachten von Dr. C.___, der das Beschwerdebild denn auch nicht mit der Codierung ICD-10 F31.5 fasste, welche für eine bipolare affektive Psychose, gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen steht. Die Lebenspartnerin äusserte sich zwar dahingehend, dass sich der Versicherte Anfang November 2017 in einer sichtlich schlechten psychischen Verfassung befunden habe. Hinweise darauf, dass er den Bezug zur Realität krankheitsbedingt teilweise oder vollständig verloren hätte, sind ihren Schilderungen allerdings nicht zu entnehmen; vielmehr zeigte er noch am Vortag zum Ereignis gewisse Aktivitäten wie die Reifen am Auto wechseln lassen und Pizza backen und essen mit dem Sohn (vgl. Urk. 9/28/16). Am 4. November 2017 nahm sich der Versicherte zwischen 13:20 Uhr und 19:20 Uhr das Leben (Urk. 9/5/6). Zuvor habe er sich gemäss Lebenspartnerin nicht in der Lage gefühlt, zu einem bereits seit Längerem um 14:00 Uhr geplanten Treffen mit einem befreundeten Paar nach Basel mitzureisen, worauf sie allein mit dem Sohn dorthin gefahren sei. Nach der Verabschiedung habe er ihr per SMS die benötigte Adresse gesendet und zudem mitgeteilt, dass es ihm sehr schlecht gehe. Nach entsprechender Rückfrage habe er es jedoch nicht für notwendig erachtet, dass sie einen Arzt herbeirufe (Urk. 9/28/17). Anhaltspunkte für das Vorliegen einer psychotischen Symptomatik sind angesichts dieser Schilderungen auch für den Todestag nicht auszumachen.
4.3.2 Zu berücksichtigen ist des Weiteren in Achtung all der innewohnenden Tragik die von beiden Fachärzten nicht in ihre Beurteilung einbezogene Handlungsweise des Versicherten im Rahmen der Selbsttötung. Laut Polizeirapport vom 5. November 2017 führte das Erhängen mit einem schwarzen Stoffgurt zu einem durch Sauerstoffmangel bedingten Hirntod (Urk. 9/5/6 f.). Die Lebenspartnerin äusserte sich gegenüber Dr. C.___ dahingehend, dass sich der Versicherte mit einem Gürtel an einem Leitungsrohr im Badezimmer erhängt habe. Hierzu habe er hochsteigen müssen, wobei sie vermute, dass er sich bei einem ersten, misslungenen Suizidversuch auf das Thermostatgehäuse der Heizung abgestützt habe. Dieses habe sie Tage nach dem Suizid in einer Schublade gefunden, in welcher der Versicherte Gürtel aufbewahrt habe. Ferner seien am Boden Plastiksplitter des Gehäuses gelegen. Überdies gehe sie davon aus, dass sich der Versicherte beim ersten Suizidversuch eingenässt habe, da er sich in Unterwäsche erhängt und eine nasse Jeans in einem Wäschehaufen gelegen habe (Urk. 9/28/18).
In Anbetracht dieser gezielten und planmässigen Vorgehensweise des Versicherten erweist sich ein noch in gewissem Masse vernunftgemässes (wenn auch unverhältnismässiges) und willentliches Handeln wahrscheinlicher als eine gänzlich durch übermächtige Triebe gesteuerte Suizidhandlung.
4.3.3 Gesamthaft mag zwar im Sinne der Ausführungen von Dr. C.___ durchaus zutreffen, dass der Suizid des Versicherten als impulsiv-krankheitsbedingtes Geschehen im Rahmen einer schweren manisch-depressiven Erkrankung zu interpretieren ist (Urk. 9/28/23). Entgegen seiner Beurteilung lag damit jedoch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine schwerwiegende psychopathologische Symptomatik vor, welche im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. E. 1.5 vorstehend) geeignet gewesen wäre, die Urteilsfähigkeit zum Zeitpunkt der Suizidhandlung gänzlich aufzuheben. Weder bestehen Indizien für eine psychotische Symptomatik, noch lässt die konkrete Ausführung des Suizids darauf schliessen, dass im entscheidenden Moment nicht ein Minimum an Besinnungsfähigkeit zur kritischen, bewussten Steuerung der endothymen Abläufe vorhanden gewesen wäre. Anhaltspunkte darauf, dass der Versicherte in psychotischer Verkennung der Realität gehandelt beziehungsweise jegliche vernünftige Einsicht über die tatsächliche Lage verloren hätte (vgl. BGE 113 V 63 E. 3), sind nicht ersichtlich.
Die schwere psychische Erkrankung des Versicherten war zwar mit deutlicher Sicherheit ursächlich für die Bereitschaft zum Suizid; er handelte jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht in psychotischer Verkennung der Realität (vgl. auch die Beispiele bei Marelli, Was heisst «Unfähigkeit», vernunftgemäss zu handeln, in: Kieser/Landolt [Hrsg.], Unfall? Novembertagung 2015 zum Sozialversicherungsrecht, Zürich/St. Gallen 2016, S. 62 f.).
Abschliessend ist mit Blick auf die beschwerdeweise gestellten Eventualanträge (Urk. 1 S. 2 und 8 ff.) betreffend weitere medizinische Abklärungen festzuhalten, dass von solchen keine anderen entscheidrelevanten Erkenntnisse zu erwarten sind, weshalb davon abzusehen ist (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 124 V 90 E. 4b, 122 V 157 E. 1d, 136 I 229 E. 5.3). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die entscheidende Frage, in welcher psychischen Verfassung sich der Versicherte wenige Augenblicke vor dem Suizid befunden hatte, retrospektiv noch eingehender abgeklärt werden könnte. Einerseits liegt bereits der Bericht von Dr. B.___ mit ausgesprochen zeitnah erhobenen Befunden vor, welcher noch am Vortag ein persönliches Gespräch mit dem Versicherten geführt hatte. Der Bericht nimmt ausserdem Bezug auf die Krankheitsentwicklung während der Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren. Sein Bericht erweist sich als aussagekräftig und überzeugend, weshalb auch nicht zu beanstanden ist, dass die Beschwerdegegnerin letztlich nicht auf der Beantwortung der im Einspracheverfahren gestellten Rückfragen (Urk. 9/36, 9/38) bestanden hat.
Andererseits sind die detaillierten fremdanamnestischen Auskünfte der Lebenspartnerin des Versicherten im Gutachten von Dr. C.___ enthalten und bereits in die Beurteilung eingeflossen. Bei diesen Gegebenheiten besteht auch in Anbetracht des geltenden Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1 ATSG) kein weiterer Abklärungsbedarf.
5. Nach dem Gesagten hat die Beschwerdegegnerin den Leistungsanspruch des Beschwerdeführers ausgenommen die Bestattungskosten im angefochtenen Einspracheentscheid vom 18. Dezember 2019 (Urk. 2) zu Recht verneint, da die Fähigkeit des Versicherten, vernunftgemäss zu handeln, im Zeitpunkt der Suizidhandlung nicht überwiegend wahrscheinlich zur Gänze aufgehoben war. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.
Das Gericht erkennt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Das Verfahren ist kostenlos.
3. Zustellung gegen Empfangsschein an:
- Rechtsanwalt Dr. Volker Pribnow
- SWICA Versicherungen AG
- Bundesamt für Gesundheit
4. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG).
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen.
Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat (Art. 42 BGG).
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Die VorsitzendeDer Gerichtsschreiber
FehrWürsch