Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich |
UV.2019.00137
II. Kammer
Sozialversicherungsrichterin Grieder-Martens, Vorsitzende
Sozialversicherungsrichterin Käch
Ersatzrichterin Lienhard
Gerichtsschreiberin Tiefenbacher
Urteil vom 31. Mai 2023
in Sachen
X.___
Beschwerdeführer
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Dobler
Zimmerli & Béboux Rechtsanwälte AG
Eichwaldstrasse 5, Postfach, 6002 Luzern
gegen
Suva
Rechtsabteilung
Postfach 4358, 6002 Luzern
Beschwerdegegnerin
vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Walter Fellmann
Fellmann Rechtsanwälte AG
Huobmattstrasse 7, 6045 Meggen
Sachverhalt:
1.
1.1 Der 1968 geborene X.___ war in den Jahren 2003 und 2004 als Anlagenoperateur im Kernkraftwerk Y.___ (Urk. 37/13) und in den Jahren 2009 bis 2013 als Sachverständiger für den Z.___ (Urk. 37/14) tätig. Nachdem bei ihm ein Harnblasen- und ein Prostatakarzinom diagnostiziert worden waren, beantragte er bei der Suva am 3. und 27. Juni 2016 Leistungen aufgrund einer Berufskrankheit. Mit durch Einspracheentscheid vom 12. Januar 2017 (Urk. 37/31) bestätigter Verfügung vom 30. September 2016 (Urk. 37/21) verneinte die Suva das Vorliegen einer Berufskrankheit und damit eine Leistungspflicht. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht mit Entscheid vom 30. August 2018 im Prozess Nr. UV.2017.00052 ab (Urk. 37/105). Das Bundesgericht hiess die hiergegen geführte Beschwerde mit Urteil vom 18. März 2019 teilweise gut, hob den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts auf und wies die Sache zur Einholung eines Gerichtsgutachtens und Neuentscheidung zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Urk. 37/116). Auf ein dagegen gerichtetes Revisionsgesuch des Versicherten trat das Bundesgericht mit Urteil vom 6. Mai 2020 nicht ein (Urk. 37/173).
Gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. A.___, emeritierter Strahlenbiologe am Institut für Medizinische Strahlenbiologie des Universitäts-Klinikums B.___, vom 20. März 2020 (Urk. 37/169) wies das Sozialversicherungsgericht die Beschwerde des Versicherten mit Entscheid vom 26. Juni 2020 im Verfahren Nr. UV.2019.00084 erneut ab (Urk. 37/179), welche Entscheidung vom Bundesgericht mit Urteil vom 2. November 2020 geschützt wurde (Urk. 32 = Urk. 37/191).
1.2 Am 24. Mai 2017 stellte der Versicherte gegen die Suva ein Verantwortlichkeitsbegehren und forderte von ihr die Bezahlung von Schadenersatz und Genugtuung (Urk. 37/44/1-8). Am 29. Dezember 2017 lehnte die Suva das Entschädigungsbegehren formlos ab (Urk. 37/63).
Mit Eingabe vom 14. August 2018 erhob der Versicherte gegen die Suva eine Rechtsverzögerungs- beziehungsweise Rechtsverweigerungsbeschwerde (Urk. 37/102). Diese wies das Sozialversicherungsgericht mit Entscheid vom 3. April 2019 im Prozess Nr. UV.2018.00182 ab (Urk. 37/119).
Mit Schreiben vom 3. April 2019 wies das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Suva an, entsprechend dem Begehren des Versicherten innert Monatsfrist eine Verfügung betreffend das Verantwortlichkeitsbegehren zu erlassen (Urk. 37/118/1-2), worauf die Suva mit Verfügung vom 1. Mai 2019 das Entschädigungsbegehren abwies (Urk. 37/120 = Urk. 2).
2. Am 23. Mai 2019 erhob der Versicherte Beschwerde (Urk. 1) gegen die Verfügung vom 1. Mai 2019 (Urk. 2) mit dem Hauptantrag auf angemessenen Schadenersatz und Genugtuung im Zusammenhang mit pflichtwidrig unterlassener medizinischer Befundaufnahme und unterlassenen Sicherheitsabklärungen (S. 2 Ziff. 3). Mit Verfügung vom 12. Juni 2019 sistierte das Sozialversicherungsgericht das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Prozesses Nr. UV.2019.00084 betreffend das Vorliegen einer Berufskrankheit (Urk. 5). Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers trat das Bundesgericht mit Urteil vom 12. August 2019 nicht ein (Urk. 12). Auch auf das in der Folge gegen dieses Urteil vom Beschwerdeführer gestellte Erläuterungs- und Berichtigungsgesuch trat das Bundesgericht mit Urteil vom 23. Oktober 2019 nicht ein (Urk. 14).
Mit Eingabe vom 15. April 2020 stellte der Beschwerdeführer das Gesuch um Überweisung des Verfahrens an das Bundesverwaltungsgericht sowie um Aufhebung der Sistierung des Verfahrens (Urk. 19). Mit Verfügung vom 28. April 2020 wies das Sozialversicherungsgericht das Gesuch um Überweisung ab und hielt an der Sistierung des Verfahrens bis zum Wegfall des Sistierungsgrundes fest (Urk. 21). Mit Verfügung vom 20. November 2020 hob es die Sistierung auf (Urk. 33).
Mit Beschwerdeantwort vom 15. Januar 2021 schloss die Suva auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei (Urk. 36).
Am 2. Februar 2021 stellte der Beschwerdeführer gegen Sozialversicherungsrichter Mosimann und Gerichtsschreiberin Tiefenbacher ein Ausstandsbegehren (Urk. 43/1), auf welches das Sozialversicherungsgericht mit Beschluss vom 17. März 2021 im Verfahren SV.2021.00001 nicht eintrat (Urk. 43/5). Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers trat das Bundesgericht mit Urteil vom 15. Juni 2021 nicht ein (Urk. 43/9).
Mit Replik vom 27. Mai 2021 hielt der Beschwerdeführer sinngemäss an seinem Rechtsbegehren fest (Urk. 40), die Beschwerdegegnerin verzichtete am 4. August 2021 auf Duplik (Urk. 50).
Mit Triplik vom 16. September 2021 erneuerte der Beschwerdeführer sein Rechtsbegehren und forderte angemessenen, noch zu beziffernden Schadenersatz sowie eine Genugtuung von Fr. 100'000. (Urk. 53). Am 25. Februar 2022 bezifferte er die Höhe des geforderten Schadenersatzes mit Fr. 1'681'716. (Urk. 57). Mit Quadruplik vom 7. Juni 2022, welche dem Beschwerdeführer am 20. Juni 2022 zur Kenntnis gebracht wurde (Urk. 71), beantragte die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde sowie die Abweisung der Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen des Beschwerdeführers (Urk. 68). Hierauf reichte der Beschwerdeführer am 30. Juni 2022 erneut eine Stellungnahme ein (Urk. 72).
Mit Gerichtsverfügung vom 15. August 2022 wurde das Verfahren bis zur Erledigung der vor Bundesgericht hängigen Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Luzern, wonach eine Garantenstellung der Beschwerdegegnerin verneint worden war (vgl. Urk. 69/13), sistiert (Urk. 74). Am 28. Dezember 2022 reichte der Beschwerdeführer das Urteil des Bundesgerichts vom 8. November 2022 (Urk. 78) ein (Urk. 77). Die Beschwerdegegnerin nahm hierzu am 17. Januar 2023 Stellung (Urk. 81), worüber der Beschwerdeführer am 17. Januar 2023 orientiert wurde (Urk. 82).
Das Gericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 78 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) haften für Schäden, die von Durchführungsorganen oder einzelnen Funktionären von Versicherungsträgern einer versicherten Person oder Dritten widerrechtlich zugefügt wurden, die öffentlichen Körperschaften, privaten Trägerorganisationen oder Versicherungsträger, die für diese Organe verantwortlich sind (Abs. 1). Die subsidiäre Haftung des Bundes für ausserhalb der ordentlichen Bundesverwaltung stehende Organisationen richtet sich nach Art. 19 des Bundesgesetzes über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG; Abs. 3). Für die Verfahren nach den Absätzen 1 und 3 gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes. Ein Einspracheverfahren wird nicht durchgeführt. Die Art. 3-9, 11, 12, 20 Abs. 1, 21 und 23 VG sind sinngemäss anwendbar (Abs. 4).
Das in Art. 78 ATSG vorgesehene Haftungssystem hat nur dort Bedeutung, wo das sozialversicherungsrechtliche Verwaltungsverfahren beziehungsweise das gerichtliche Anfechtungsverfahren die Schädigung nicht abwenden konnte (Kieser, ATSG-Kommentar, 4., vollständig revidierte Auflage, Zürich 2020, Rz 7 zu Art. 78 ATSG mit Hinweisen).
Die Haftung erlischt, wenn die geschädigte Person ihr Begehren auf Schaden-ersatz oder Genugtuung nicht innert eines Jahres seit Kenntnis des Schadens einreicht, auf alle Fälle nach zehn Jahren seit dem Tage der schädigenden Handlung (Art. 20 Abs. 1 VG in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts, OR, in der bis 31. Dezember 2019 geltenden Fassung). Die relative Frist beginnt an dem Tag zu laufen, an welchem die verletzte Person tatsächlich Kenntnis vom Schaden und der Person des Haftpflichtigen erlangt.
1.2 Bei der Beschwerdegegnerin handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit (Art. 61 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung, UVG). Gestützt auf den Verweis in Art. 78 ATSG haftet sie demzufolge nach Massgabe von Art. 3 bis 6 VG. Es handelt sich dabei gemäss Art. 3 Abs. 1 VG um eine Kausalhaftung, die kein Verschulden voraussetzt. Für den Anspruch auf Schadenersatz genügt das Vorliegen eines Schadens, eines widerrechtlichen Verhaltens und eines Kausalzusammenhangs zwischen den beiden erstgenannten Voraussetzungen. Wird ein Mensch getötet oder erleidet er eine Körperverletzung, kann unter Würdigung der besonderen Umstände zusätzlich eine Genugtuung ausgerichtet werden, falls den fehlbaren Angestellten ein Verschulden trifft (Art. 6 Abs. 1 VG).
1.3 Auch eine Unterlassung kann widerrechtlich sein, indessen nur, wenn eine eigentliche Pflicht der Behörde beziehungsweise Anstalt zum Handeln bestand. Für Schädigungen infolge einer Unterlassung kann sich eine Haftpflicht somit nicht aus einer natürlichen Kausalität ergeben, sondern nur dadurch, dass eine Garantenpflicht verletzt worden ist. Eine solche kann lediglich durch rechtliche Vorschriften begründet werden (Kieser, ATSG-Kommentar, 4., vollständig revidierte Auflage, Zürich 2020, Rz 72 f. zu Art. 78; BGE 133 V 14 E. 8.1, 136 II 187 E. 4.2, je mit Hinweisen).
1.4 Laut Art. 84 Abs. 2 Satz 1 UVG können die Durchführungsorgane Versicherte, die hinsichtlich Berufsunfällen oder Berufskrankheiten durch bestimmte Arbeiten besonders gefährdet sind, von diesen Arbeiten ausschliessen. Die Durchführungsorgane des Bundesgesetzes über Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (ArG) und die Suva vollziehen die Bestimmungen über die Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten (Art. 85 Abs. 1 Satz 1 UVG).
Die Suva beaufsichtigt die Anwendung der Vorschriften über die Verhütung von Berufsunfällen in Kernanlagen und anderen Betrieben, in denen radioaktive Stoffe gehandhabt oder ionisierende Strahlen erzeugt werden; vorbehalten bleibt Art. 2 Abs. 2 lit. c (Art. 49 Abs. 1 Ziff. 21 der Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten, VUV). Gemäss Art. 71 VUV muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass die den Vorschriften über die arbeitsmedizinische Vorsorge unterstehenden Arbeitnehmer durch arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen überwacht werden. Eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung ist der Suva zudem bei jedem Verdacht einer vermehrten Gefährdung eines Arbeitnehmers zu beantragen (Abs. 1). Die Suva bestimmt die Art der Untersuchungen und überwacht ihre Durchführung (Abs. 2). Der Arbeitgeber muss die Untersuchung beim nächsten Arzt veranlassen, der fachlich geeignet ist, sie durchzuführen. Die Suva kann Untersuchungen auch selbst durchführen oder durchführen lassen (Abs. 3). Nach jeder Vorsorgeuntersuchung sendet der untersuchende Arzt den verlangten Befund mit seinem Antrag zur Frage der Eignung des Arbeitnehmers (Art. 78) an die Suva. Bestehen Gründe dafür, dass der Arbeitnehmer die gefährdende Arbeit sofort aufgeben muss, teilt dies der Arzt der Suva unverzüglich mit (Abs. 4).
Je nach dem ärztlichen Befund und den Bedingungen, unter denen die Arbeitnehmer zu arbeiten haben, ordnet die Suva in bestimmten Zeitabständen Kontrolluntersuchungen an (Art. 73 Abs. 1). Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt einer Kontrolluntersuchung keine kontrollpflichtige Arbeit verrichten, müssen erst untersucht werden, wenn sie wieder zu solchen Arbeiten zugezogen werden. In diesem Fall muss die Kontrolluntersuchung innert 30 Tagen nach Wiederaufnahme der betreffenden Arbeit veranlasst werden (Art. 73 Abs. 2 (VUV).
Die Suva kann Untersuchungen nach Aufgabe der gesundheitsgefährdenden Arbeit anordnen, wenn es aus medizinischen Gründen notwendig ist (Art. 74 VUV).
Laut Art. 78 Abs. 1 VUV kann die Suva durch Verfügung einen Arbeitnehmer, der den Vorschriften über die arbeitsmedizinische Vorsorge untersteht, von der gefährdenden Arbeit ausschliessen (Nichteignung) oder seine Beschäftigung bei dieser Arbeit unter bestimmten Bedingungen zulassen (bedingte Eignung; Satz 1). Ist der Arbeitnehmer imstande, die Arbeit ohne Bedingungen zu verrichten (Eignung), so teilt es die Suva dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber mit (Satz 2).
2.
2.1 Die Beschwerdegegnerin begründete die Abweisung des Leistungsbegehren damit (Urk. 2), eine rechtliche Vorschrift, wonach sie einen Arbeitnehmer über einen im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung erhobenen Befund zu informieren hätte, bestehe nicht. Folglich habe sie keine Amts- beziehungsweise Garantenpflicht verletzt und ihr Verhalten sei nicht widerrechtlich gewesen (S. 3 Ziff. 4). Bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen handle es sich nicht um allgemeinmedizinische Check-up-Untersuchungen. Der Beschwerdeführer sei nicht Opfer eines Strahlenunfalls gewesen und mit dem Dosimeter sei eine Strahlenexposition von bloss kumuliert 2.64 mSv gemessen worden, weshalb die im Juli 2013 festgestellte relative Lymphopenie mit Sicherheit nicht auf berufliche Strahlenbelastungen zurückzuführen seien. Unter diesen Umständen hätte sie gar keine Blutbildkontrolle veranlassen müssen (S. 5 lit. e). Mit einer weiteren Blutuntersuchung im Jahr 2013 hätten die beim Beschwerdeführer erheblich später (Ende 2015) festgestellten Tumore nicht frühzeitig erkannt werden können, stellten doch Lymphopenien keine Frühzeichen für Blasen- und Prostatakarzinome dar (S. 5 Ziff. 6).
Im Weiteren hielt die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen fest (Urk. 68), es fehle gleich an mehreren Haftungsvoraussetzungen, insbesondere an der Widerrechtlichkeit und an einem Kausalzusammenhang (S. 9 Ziff. 13a). Eine rechtliche Vorschrift, wonach sie einen Arbeitnehmer über einen im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung erhobenen Befund von sich aus aktiv zu informieren hätte, bestehe nicht (S. 9 Ziff. 13c). Sie habe keine Amts- beziehungsweise Garantenpflicht verletzt. Ihr Verhalten sei nicht widerrechtlich (S. 10 oben). Auch fehle es an einem Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten Unterlassung und dem Schaden. Dass die Ende 2015 diagnostizierten Tumorerkrankungen im Frühstadium hätten erkannt werden können, wenn die von ihr angeordnete hämatologische Nachkontrolle durchgeführt worden wäre, sei bereits deshalb unzutreffend, weil die Hausärztin tatsächlich weitere Blutkontrollen vorgenommen habe, nämlich am 13. Juni, 9. Juli, 16. September 2013 und am 12. Mai und 9. Juni 2015 (S. 13 Ziff. 15a). Dass mit weiteren Blutuntersuchungen im Jahr 2013 die beim Beschwerdeführer festgestellten Tumore hätten frühzeitig erkannt werden können, erscheine nicht plausibel. Selbst Dr. C.___, auf deren Privatgutachten vom 21. April 2018 sich der Beschwerdeführer berufe, habe ausgeführt, es bestehe kein direkter Zusammenhang zwischen der Lymphopenie und den malignen Erkrankungen, sondern durch weitere Abklärungen beziehungsweise Untersuchungen wäre aber eventuell eine Früherkennung der Tumorerkrankungen möglich gewesen. Mit einer eventuellen Möglichkeit lasse sich aber ein Kausalzusammenhang nicht rechtsgenüglich nachweisen (S. 14 lit. c).
Schliesslich (Urk. 81) bekräftigte die Beschwerdegegnerin ihren Standpunkt und wies darauf hin, dass die Argumente des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde in Strafsachen ans Bundegericht nicht im vorliegenden Haftungsverfahren beurteilt werden könnten, nachdem das Bundesgericht die Legitimation des Beschwerdeführers verneint habe. Das Strafverfahren sei rechtskräftig eingestellt worden (S. 2 lit. c Mitte). Aufgrund der Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung vom 29. Mai 2013 habe keine Veranlassung und insbesondere keine gesetzliche Verpflichtung bestanden, weitere Abklärungen als die von ihr eingeleiteten vorzunehmen. Für eine Haftung für die Krebserkrankung des Beschwerdeführers fehle es sowohl an einem widerrechtlichen Verhalten als auch an einem Kausalzusammenhang (S. 4 lit. h).
2.2 Dagegen wandte der Beschwerdeführer im Wesentlichen ein (Urk. 53), die Beschwerdegegnerin habe ihre Garantenpflicht dadurch verletzt, dass sie ihn trotz der seit 2009 bekannten laborchemischen Auffälligkeiten und trotz der Unmöglichkeit, im Jahr 2013 die Eignung für die Tätigkeit in Kernkraftwerken ohne weitere Abklärungen zu beurteilen, als tauglich für den Dienst in Kernkraftwerken eingestuft habe (S. 5 Ziff. 8). Sie hätte ihm die Eignung für den Einsatz in Kernkraftwerken bereits nach dem Untersuchungsergebnis im Dezember 2009 entziehen müssen, womit er bereits Ende 2009 von den auffälligen zunehmenden Veränderungen des Differenzialblutbildes erfahren und entsprechende Abklärungen und Behandlungen bei Spezialärzten in Anspruch genommen hätte (S. 7 oben). Das Verhalten der Beschwerdegegnerin unter Verletzung ihrer mit der arbeitsmedizinischen Begutachtung einhergehenden Pflichten sei somit kausal gewesen für die widerrechtliche Beeinträchtigung des absoluten Rechts auf körperliche und psychische Unversehrtheit. Diese Beeinträchtigung habe sich bereits durch Erkrankungen im Jahr 2013 und schliesslich in Form einer 2016 diagnostizierten schweren Krebserkrankung mit all ihren verheerenden Begleiterscheinungen manifestiert (S. 8 Ziff. 11). Anstatt ihrem gesetzlichen Auftrag der Verhinderung von Berufskrankheiten nachzukommen, habe die Beschwerdegegnerin überhaupt nichts unternommen und habe gerade damit den Nachweis einer Berufskrankheit und folglich die Durchsetzung der legitimen Ansprüche des Beschwerdeführers vereitelt (S. 9 unten).
Ferner machte der Beschwerdeführer geltend (Urk. 77), seine Argumente in der Beschwerde in Strafsachen seien im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen (S. 1 unten). Eine Lymphopenie sei ein wichtiger Indikator für Schäden durch ionisierende Strahlen und hätte notwendig zeitnahe Abklärungen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Untersuchung nach sich ziehen müssen (S. 2 unten). Da für die Jahre 2010 bis 2013 keine Angaben zu Dosimeter-Messungen oder effektiven Strahlendosen vorlägen, hätte sich eine biologische Dosimetrie mittels Analyse der Lymphozyten aufgedrängt, was eine Verhinderung oder zumindest eine frühere Diagnose und damit einen wesentlich milderen Verlauf der Krebserkrankung zur Folge gehabt hätte (S. 3 unten).
2.3 Zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer Schadenersatz sowie Genugtuung zu leisten hat, weil sie durch Verletzung einer allfälligen Pflicht, diesen über die im Rahmen der arbeitsmedizinischen Untersuchungen festgestellten Veränderungen des Blutbildes zu informieren, die eingetretene Schädigung des Beschwerdeführers zu verantworten hat.
3.
3.1 Der Beschwerdeführer erhielt Kenntnis über die behauptete schädigende Handlung beziehungsweise Unterlassung durch die Beschwerdegegnerin, nachdem ihm diese am 25. Mai 2016 Akteneinsicht gewährt hatte (vgl. Urk. 37/44/20). Mit der Schadenersatz- und Genugtuungsforderung vom 24. Mai 2017 (37/44/1-8) hat er die einjährige Verwirkungsfrist somit gewahrt (vgl. vorstehende E. 1.2).
3.2 Eine Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin aufgrund des Vorliegens einer Berufskrankheit wurde rechtskräftig verneint, weshalb eine Haftung aus Art. 78 ATSG nicht von Vornherein ausgeschlossen ist (vgl. vorstehende E. 1.1).
3.3 Aktenkundig ist, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2003 und 2004 als Anlagenoperateur im Kernkraftwerk Y.___ und im Jahr 2010 als Sachverständiger für den Z.___ im Kernkraftwerk D.___ tätig war (vgl. Urk. 32 S. 2 lit. A). Am 8. Dezember 2009, 16. Februar 2011, 15. März 2012 und 29. Mai 2013 fanden arbeitsmedizinische Untersuchungen statt (Urk. 37/52/59-67; Urk. 37/52/69-73; Urk. 37/52/75-86; Urk. 37/52/87-97), aufgrund derer die Beschwerdegegnerin Eignungsausweise für die Tätigkeit in Kernkraftwerken bis 1. März 2013 ausstellte (Urk. 37/194/8-9). Nach der Untersuchung vom Mai 2013 hielt die Arbeitsmedizinerin der Beschwerdegegnerin fest, es seien wegen der Lymphopenie weitere Abklärungen notwendig (Urk. 37/52/67 Ziff. 5) und der Arbeitgeber des Beschwerdeführers wurde am 12. Juli 2013 von der Beschwerdegegnerin aufgefordert, diesen für eine weitere Blutuntersuchung zum Arzt zu weisen (Urk. 37/52/58).
Im Februar 2016 wurde beim Beschwerdeführer ein Harnblasenkarzinom reseziert und im März 2016 erfolgte eine radikale Zysto-Prostato-Vesikulektomie mit pelviner Lymphonodektomie und Anlage einer Ileum-Neoblase (Urk. 54/2 S. 1 unten). Mit Urteil vom 2. November 2020 bestätigte das Bundesgericht den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts vom 26. Juni 2020 im Prozess Nr. 2019.00084, wonach beim Beschwerdeführer das Prostata- und Blasenkarzinom keine Berufskrankheit darstelle (Urk. 32).
3.4
3.4.1 Umstritten ist, ob die Beschwerdegegnerin aufgrund einer Garantenstellung gegenüber dem Beschwerdeführer nach den Ergebnissen der arbeitsmedizinischen Untersuchungen und insbesondere aufgrund der dabei erhobenen Lymphopenie hätte tätig werden müssen. Der Beschwerdeführer leitete die Garantenstellung der Beschwerdegegnerin ihm gegenüber aus der VUV ab, wonach diese ihm aufgrund der bei den Vorsorgeuntersuchungen festgestellten Blutbildabweichungen die Eignung für die Tätigkeit in Kernkraftwerken hätte absprechen müssen, weitergehende Untersuchungen hätte anordnen oder ihn zumindest über die Blutbildabweichungen hätte in Kenntnis setzen müssen, damit er selber entsprechende Abklärungen hätte aufnehmen können.
3.4.2 Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern verneinte mit Einstellungsverfügung vom 11. November 2021 (Urk. 69/12) eine Garantenstellung seitens der Beschwerdegegnerin gegenüber dem Beschwerdeführer mit der Begründung, die Beschwerdegegnerin sei gemäss Art. 49 VUV in erster Linie zuständig für die Aufsicht über die Anwendung der Vorschriften über die Verhütung von Berufsunfällen. Bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen handle es sich nicht um allgemeinmedizinische Check-up-Untersuchungen, sondern diese zielten vielmehr einzig auf die frühzeitige Erfassung von Symptomen einer Berufskrankheit sowie auf die Beurteilung der Eignungsfrage. Eine Verpflichtung zur Abklärung berufsfremder Störungen gebe es nicht. Eine rechtliche Vorschrift, wonach die Beschwerdegegnerin einen Arbeitnehmer über einen im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung erhobenen Befund zu informieren hätte, bestehe nicht. Im Speziellen statuierten die Art. 70 ff. VUV, welche die arbeitsmedizinische Vorsorge regelten, keine entsprechende rechtliche Verpflichtung, ebenso wenig die im Verantwortlichkeitsbegehren angeführten Art. 27 ATSG und Art. 60 VUV. Auch aus dem (von ihr herausgegebenen) Factsheet zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (vgl. Urk. 37/194/101-108) lasse sich keine Informationspflicht der Beschwerdegegnerin gegenüber dem Arbeitnehmer ableiten. Gemäss diesem sei die Beschwerdegegnerin lediglich verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Eignungsmitteilung zu machen und anzugeben, wann die nächste Untersuchung durchzuführen sei. Dies habe die Beschwerdegegnerin pflichtgemäss getan. Insbesondere habe sie dem Arbeitgeber am 12. Juli 2013 (vgl. Urk. 37/52/58) mitgeteilt, dass eine weitere Blutuntersuchung notwendig sei, bevor sich der Arbeitsarzt zur Eignungsfrage äussern könne und den Arbeitgeber aufgefordert, den Beschwerdeführer mit einem beigelegten Formular zum Arzt zu weisen. Überdies habe es die Beschwerdegegnerin nicht bei dieser Pflicht bewenden lassen, sondern sie habe den Arbeitgeber zwei Monate später gemahnt (vgl. Urk. 37/52/56 und sogar ein Aufgebot für Dezember 2013 festgesetzt (vgl. Urk. 37/52/54-55). Damit sei die Beschwerdegegnerin ihrer Informationspflicht gemäss Factsheet den Betrieb zu informieren, zur Genüge nachgekommen. Dass der Arbeitgeber seinerseits, trotz des Hinweises, dass eine weitere Blutuntersuchung notwendig sei, keine Weiterungen mehr vorgenommen habe, könne der Beschwerdegegnerin nicht zum Nachteil gereichen (S. 6 f. Ziff. 5.2.2).
3.4.3 Zum zeitlichen Aspekt (betreffend die Verjährung) hielt das Kantonsgericht Luzern mit Beschluss vom 13. April 2022 (Urk. 69/13) fest, eine allfällige Verantwortung der Beschwerdegegnerin im Sinne einer Garantenpflicht würde sich vorliegend auf Art. 13 des Strahlenschutzgesetzes (StSG) beziehungsweise die VUV stützen. Die VUV sei eine Ausführungsverordnung zum UVG, mit der die unfallversicherungsrechtlichen Pflichten im Bereich der Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten konkretisiert würden (vgl. Art. 83 UVG). Soweit das StSG und die VUV keine Bestimmungen zum zeitlichen Geltungsbereich enthielten, sei daher ergänzend auf das UVG abzustellen. Das StSG und die zugehörige Strahlenschutzverordnung (StSV) äusserten sich nicht zum zeitlichen Geltungsbereich. Art. 1 Abs. 1 VUV (wie auch Art. 81 UVG) halte fest, dass die Vorschriften über die Arbeitssicherheit für alle Betriebe gälten, deren Arbeitnehmer in der Schweiz Arbeiten ausführten. Damit sei der sachliche und persönliche Geltungsbereich definiert. Der zeitliche Geltungsbereich werde durch die VUV nicht näher definiert. Aus dem persönlichen Geltungsbereich ergebe sich immerhin, dass Arbeitnehmer in der Schweiz Arbeiten ausführen müssten, was den zeitlichen Geltungsbereich auf die Dauer des Anstellungsverhältnisses zu beschränken scheine. Art. 3 Abs. 2 UVG statuiere sodann, dass die Unfallversicherung für erwerbstätige Personen grundsätzlich mit dem 31. Tag nach dem Tag, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhöre, ende. Der (zeitliche) Geltungsbereich der VUV als Ausführungsbestimmung könne grundsätzlich nicht über den Geltungsbereich des zugrunde liegenden Gesetzes hinausgehen, sodass die Bestimmungen der VUV längstens bis zum 31. Tag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Geltung beanspruchen könnten. Gestützt auf Art. 74 VUV seien indes über das Ende der beruflichen Tätigkeit, während welcher der Arbeitnehmer exponiert gewesen sei, hinaus Nachuntersuchungen möglich. Die Abwicklung solcher Nachuntersuchungen erfolge über den Arbeitgeber, wobei der Arbeitnehmer via Arbeitgeber über allfällige weitere medizinische Anordnungen informiert werde. Sei der Arbeitnehmer nicht mehr in dem Betrieb tätig, in dem die Exposition stattgefunden habe, nehme die Beschwerdegegnerin direkt mit dem Arbeitnehmer Kontakt auf (Wegleitung der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit EKAS vom 27. Januar 2022 S. 273; S. 18 Ziff. 7.2.2).
Ob im Rahmen von Nachuntersuchungen im Sinne von Art. 74 VUV überhaupt eine Garantenstellung der Beschwerdegegnerin auch über den zeitlichen Geltungsbereich des UVG hinaus bejaht werden könne, könne offenbleiben: Nachuntersuchungen nach Art. 74 VUV würden vorab bei Personen durchgeführt und seien durchgeführt worden, die im Rahmen ihrer Tätigkeit krebserregenden Stoffen wie Asbest, aromatischen Aminen, Teer, Pech, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, Vinylchlorid oder Benzol ausgesetzt gewesen seien (vgl. Factsheet Arbeitsmedizinische Vorsorge). Das schliesse nicht aus, dass auch bei weiteren Personen Nachuntersuchungen durchgeführt würden, sofern dies notwendig erscheine. Beim Beschwerdeführer habe über mehrere Jahre eine (relative) Lymphopenie bestanden. Gestützt auf die regelmässigen arbeitsmedizinischen Untersuchungen habe die Beschwerdegegnerin Kenntnis gehabt beziehungsweise habe Kenntnis haben müssen von der zu niedrigen (relativen) Lymphozyten-Zahl. Eine Lymphopenie sei ein Hinweis auf verschiedene Viruserkrankungen wie HIV, SARS oder Hepatitis, bakterielle Infekte wie Tuberkulose sowie beispielsweise auf Autoimmunerkrankungen. Auch gewisse immunsupprimierende Medikamente sowie Mangelernährung, Alkoholmissbrauch oder Stress könnten Auslöser einer relativen Lymphopenie sein. Es handle sich bei einer relativen Lymphopenie mithin um ein relativ unspezifisches Symptom, das von der Beschwerdegegnerin nicht als Indiz für die beim Beschwerdeführer später festgestellten Karzinome habe gedeutet werden müssen. Jedenfalls lasse sich daraus noch keine Notwendigkeit einer Nachuntersuchung im Sinne von Art. 74 VUV ableiten.
Hinzu komme Folgendes: Die effektive Dosis für beruflich strahlenexponierte Personen dürfe den Grenzwert von 20 mSv pro Jahr nicht überschreiten (Art. 56 Abs. 1 StSV). Dieser Wert habe auch unter der bis 31. Januar 2017 geltenden Fassung der StSV (Art. 35 Abs. 1 StSV) gegolten. Werde dieser Wert überschritten, entscheide nach der aktuellen StSV die Aufsichtsbehörde, ob die Person unter ärztliche Kontrolle gestellt werden müsse (Art. 59 StSV). Nach der alten StSV sei eine Person unter ärztliche Kontrolle zu stellen gewesen, wenn sie innerhalb eines Jahres eine effektive Dosis von mehr als 250 mSv, eine Äquivalentdosis für die Haut oder Knochenoberfläche von mehr als 2'500 mSv oder eine Äquivalentdosis für ein anderes Organ von mehr als 1'000 mSv erhalten habe (Art. 39 Abs. 1 StSV in der bis 31. Januar 2017 gültig gewesenen Fassung). Die beim Beschwerdeführer mittels Dosimeter festgestellte und akkumulierte Strahlendosis habe laut dem Gerichtsgutachten von Prof. Dr. A.___ vom 20. März 2020 in den Jahren 2003, 2004 und 2009 insgesamt 2.64 mSv betragen. Stelle man auf die Messungen mittels elektronischen Personendosimeters (EPD) ab, resultiere ein Wert von 3.05 mSv. Für die Jahre 2005 bis 2008 sowie 2010 bis 2013 fänden sich in den Akten keine Angaben zu Dosimeter-Messungen oder effektiven Strahlendosen. Fest stehe gestützt auf die Akten immerhin, dass die effektive Dosis beim Beschwerdeführer in der Zeit, für welche Messungen vorlägen, den Grenzwert von 20 mSv bei Weitem nicht erreicht habe. Von Gesetzes wegen sei daher keine ärztliche Kontrolle notwendig gewesen (S. 19 Ziff. 7.2.3)
3.4.4 Gegen die Einschätzung des Kantonsgerichts Luzern brachte der Beschwerdeführer vor (Urk. 72), da Messwerte fehlten, lasse sich kein mSv-Wert der vorliegend massgeblichen Jahre 2010 bis 2013 ermitteln, womit die Behauptung, der mSv-Grenzwert sei in diesem Zeitraum nicht überschritten worden, offensichtlich falsch sei (S. 2 oben). Dem ist entgegenzuhalten, dass die Angaben zur beruflichen Strahlenexposition lückenlos vorhanden und über zwei voneinander unabhängige Messmethoden (anerkannte Dosimetrie und EPD) ermittelt worden sind (vgl. Gerichtsgutachten von Prof. Dr. A.___, Urk. 69/6 S. 3 Ziff. 1.3). Dass der Beschwerdeführer in den Zeiträumen, in denen gemäss dem Zentralen Dosisregisters des BAG keine mSv-Werte vorliegen (Urk. 37/9), einer beruflichen Strahlenexposition ausgesetzt war, ist unwahrscheinlich, liess er sich doch durch das Kernkraftwerk E.___ sowie das Z.___ bestätigen, dass er im Zeitraum vom 1. September 2012 bis 30. September 2013 (Z.___) beziehungsweise bis 4. Juni 2015 (Kernkraftwerk E.___) keiner beruflichen Strahlenexposition ausgesetzt war (Urk. 37/58/1 und Urk. 37/59/4), woraufhin das BAG die Monatsdosen (alle 0 mSv) von September 2012 bis Juni 2015 aus dem zentralen Dosisregister löschte (vgl. Urk. 37/59/2-3). Dass keine Angaben zu Dosimeter-Messungen oder effektiven Strahlendosen vorliegen sollen, ist daher schlicht aktenwidrig, und es grenzt geradezu an Rechtsmissbrauch, wenn im einen Verfahren darauf beharrt wird, auf die Berücksichtigung der Zeiträume, in welchen keine berufliche Strahlenexposition stattgefunden hat, zu verzichten (vgl. Urk. 37/57), und im anderen zu behaupten, es fehlten in eben diesen Zeiträumen die Messwerte (vgl. Urk. 72 S. 2 oben).
Gestützt auf das Gerichtsgutachten von Prof. Dr. A.___ (Urk. 69/6 S. 6 Mitte) ist mit dem Kantonsgericht Luzern davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer einer Strahlendosis von kumuliert 2.64 mSv ausgesetzt war, und von Gesetzes wegen keine Nachuntersuchungen im Sinne von Art. 74 VUV notwendig waren und die Beschwerdegegnerin gestützt darauf keine Garantenpflicht inne hatte.
3.4.5 Der Blutbildstatus gemäss der arbeitsmedizinischen Untersuchung vom 8. Dezember 2009 (Urk. 37/52/91) zeigte einen Wert für Lymphozyten von 13.0 % bei einem Referenzwert von 20-45 %. Der verantwortliche Arzt gab bei der Beurteilung an, es bestünden Anhaltspunkte eines stattgehabten Infekts, Anhaltspunkte für eine Strahlenschädigung bestünden nicht, und der Beschwerdeführer sei geeignet für Arbeiten mit ionisierenden Strahlen (Urk. 37/52/89 Ziff. 3). Das Blutbild vom 16. Februar 2011 zeigte einen Wert für Lymphozyten von 24 % bei einem Referenzwert von 25-40 % (Urk. 37/52/79). Der untersuchende Dr. med. F.___ erachtete den Beschwerdeführer im Bericht vom 16. Februar 2011 als für Arbeiten mit ionisierenden Strahlen geeignet (Urk. 37/52/77 Ziff. 3). Das Blutbild vom 15. März 2012 zeigte einen Lymphozytenwert von 19 % bei einem Referenzwert von 20-44 % (Urk. 37/52/73), und der untersuchende med. pract. G.___ erachtete den Beschwerdeführer wiederum als für Arbeiten mit ionisierenden Strahlen geeignet (Urk. 37/52/71 Ziff. 3). Am 29. Mai 2013 rapportierte Dr. med. H.___ einen Lymphozytenwert von 12 % (Urk. 37/52/66 Ziff. 3). Aus diesen Daten erhellt, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2009 zwar einen zu tiefen Wert von 13 % aufwies, wobei der behandelnde Arzt auf einen stattgehabten Infekt hinwies, und sich die Werte in den Folgejahren wieder erhöhten, womit davon ausgegangen werden konnte, dass der Beschwerdeführer auf dem Weg der Besserung war. Nachdem die Leukozyten-Werte im Jahr 2012 wieder knapp und im Juni 2013 deutlich unter dem Referenzwert lagen, ordnete die Beschwerdegegnerin am 12. Juli 2013 weitere Abklärungen an (Urk. 37/52/58), zu welchen es allerdings nicht mehr kam, weil der Beschwerdeführer seine Tätigkeit laut Kündigungsschreiben des Z.___ vom 5. Juni 2013 (Urk. 69/11) mit sofortiger Wirkung (Bezug von Ferienguthaben ab 6. Juni 2013) niederzulegen hatte.
Sinn der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen ist die frühzeitige Erkennung allfälliger Berufskrankheiten und gefährdete Arbeitnehmer vor gefährdenden Arbeiten zu schützen. Aus diesem Grund handelt es sich bei den Untersuchungen auch nicht um allgemeine Check-up-Untersuchungen, sondern die Untersuchungen zielen einzig auf die Eignung für die ausgeübte Tätigkeit. Eine weitergehende Untersuchung würde dem Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers widersprechen. Ansprechpartner der Beschwerdegegnerin ist nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber, dessen Betrieb oder Betriebsteil oder dessen einzelne Arbeitnehmer einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind. Die Verantwortung, dass die Arbeitnehmer den arbeitsmedizinischen Vorsorge-untersuchungen zugeführt werden, liegt beim Arbeitgeber (Art. 71 Abs. 1 VUV), die Art der Untersuchung bestimmt die Beschwerdegegnerin, welche auch die Durchführung überwacht (Art. 71 Abs. 2 VUV). Der Beschwerdeführer war spätestens seit September 2012 keiner beruflichen Strahlenexposition mehr ausgesetzt (vgl. 37/59/4), weshalb arbeitsmedizinische Untersuchungen danach grundsätzlich nicht mehr notwendig waren. Nachdem der Beschwerdeführer ab Juni 2013 gar nicht mehr für den Z.___ tätig war, war die Prüfung, ob er sich für diese Tätigkeit eigne, obsolet geworden. Dafür, dass eine Pflicht der Beschwerdegegnerin besteht, Arbeitnehmer über auffällige Testresultate aufzuklären, wenn sie wie vorliegend für die Frage der Eignung nicht (mehr) relevant sind, fehlt eine gesetzliche Grundlage. Ausserdem bestand für Untersuchungen im Sinne von Art. 74 VUV nach Aufgabe der Tätigkeit beim Z.___ kein medizinischer Grund, stellt doch eine Lymphopenie keinen Hinweis auf eine berufsbedingte Gesundheitsgefährdung dar (vgl. nachstehende E. 4.5). Der Beschwerdegegnerin kann daher nicht vorgeworfen werden, sie habe ihre Informationspflicht gegenüber dem Beschwerdeführer verletzt, weshalb ihr Verhalten nicht widerrechtlich war.
4.
4.1 Selbst wenn von einer Garantenpflicht ausgegangen würde, mangelte es am Kausalzusammenhang zwischen der unterlassenen Information und dem Eintritt der Krebserkrankung.
4.2 Im Fall einer Unterlassung bestimmt sich der Kausalzusammenhang danach, ob der Erfolg auch bei Vornahme der unterlassenen Handlung eingetreten wäre. Es geht um einen hypothetischen Kausalverlauf, für den nach den Erfahrungen des Lebens und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine überwiegende Wahrscheinlichkeit sprechen muss (BGE 124 III 155 E. 3d). Grundsätzlich unterscheidet die Rechtsprechung auch bei Unterlassungen zwischen natürlichem und adäquatem Kausalzusammenhang. Während bei Handlungen die wertenden Gesichtspunkte erst bei der Beurteilung der Adäquanz zum Tragen kommen, spielen diese Gesichtspunkte bei Unterlassungen in der Regel schon bei der Feststellung des hypothetischen Kausalverlaufs eine Rolle. Es ist daher bei Unterlassungen in der Regel nicht sinnvoll, den festgestellten oder angenommenen hypothetischen Geschehensablauf auch noch auf seine Adäquanz zu prüfen.
4.3 Dr. med. C.___, Fachärztin für Strahlentherapie, Oberärztin der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie der Universität I.___, hielt in ihrem Gutachten vom 21. April 2018 (Urk. 54/2) zu Händen des Beschwerdeführers fest, es sei unstrittig, dass die bei ihm bestehende Lymphopenie hätte abgeklärt werden müssen. Man hätte durch zusätzliche Laboruntersuchungen dem Verdacht nachgehen müssen, ob die Blutbildveränderungen möglicherweise radiogen bedingt seien, und man hätte zu dieser Frage auch Erkenntnisse gewinnen können, denn es stünden Untersuchungen zur Verfügung, die bei vorliegenden Lymphozyten-Veränderungen Auskunft gäben über eine wahrscheinliche strahlenbedingte Ursache (Untersuchung auf dizentrische Chromosomen und Ring-Chromosomen). Ausserdem hätte man hierdurch Hinweise erhalten können für eine eventuelle nicht durch das Dosimeter aufgezeichnete erhöhte Strahlenexposition (biologisches Indikatorensystem; S. 10 unten). Eventuell könnte der Beschwerdeführer zu einer Personengruppe mit erhöhter Strahlenempfindlichkeit gehören, womit er auch schon bei viel geringeren Strahlendosen als üblich in Form von Blutbildveränderungen beziehungsweise Lymphopenie auf Strahlenexposition reagieren oder auch vermehrt anfällig sein könnte für radiogen induzierte Mutationen beziehungsweise Tumorinduktion. Durch eine hämatologische Untersuchung hätte man versuchen können, eine möglicherweise erhöhte Strahlenempfindlichkeit des Beschwerdeführers zu überprüfen. Eine vermehrt strahlensensitive Person sei für den Einsatz am strahlenexponierten Arbeitsplatz denkbar ungeeignet. Wären die notwendigen Abklärungen vorgenommen worden, hätte auch die Chance bestanden, im Gefolge der medizinischen Massnahmen eine der damals eventuell schon im Frühstadium vorhandene Tumorerkrankung zu entdecken (vor allem in Bezug auf das langsamer wachsende Prostatakarzinom; S. 11 oben).
Weitere Abklärungen hätten an der Gesamtsituation sehr wohl etwas zu ändern vermögen, zum Beispiel im Sinne einer engmaschigeren und intensiveren medizinischen Überwachung des Beschwerdeführers. Dadurch wäre eventuell eine Früherkennung der Tumorerkrankungen möglich gewesen - wenngleich zwischen Lymphopenie und den malignen Erkrankungen kein direkter Zusammenhang bestehe, ausser der mutmasslich radiogen induzierten Genese (S. 22 oben). Es könne dahingestellt bleiben, ob die Lymphopenie tatsächlich Folge der Strahlenexposition gewesen sei. Diese Frage sei ungeklärt geblieben. Es gebe verschiedene Entstehungsmöglichkeiten für eine Lymphopenie. Eine der Entstehungsmöglichkeiten liege jedoch in einer Strahlenexposition begründet und könne bereits bei kleinen Strahlendosen entstehen. Allerdings sei die beim Beschwerdeführer laut Thermolumineszenz-Dosimeter (TLS) und elektronischem Personendosimeter (EPD) dokumentierte Strahlenexposition geringer als diejenige, bei der typischerweise eine Lymphopenie entstehen könne, wobei in diesem Zusammenhang hinterfragt werden könne, ob die Dosimetrie überhaupt die gesamte Strahlenexposition des Beschwerdeführers aufgezeichnet habe (S. 23 Mitte).
4.4 Laut dem vom Beschwerdeführer in Auftrag gegebenen onkologischen Gutachten von PD Dr. J.___, Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, Oberarzt der Klinik I für Innere Medizin der Universität K.___, und L.___, Assistenzarzt der Klinik I für Innere Medizin der Universität K.___, vom 29. April 2020 (Urk. 54/1) könne aufgrund der vorliegenden Dokumentation mit ausreichender Sicherheit von einer neu aufgetretenen beziehungsweise erworbenen Lymphopenie ausgegangen werden. Als Ursache für die dokumentierte erworbene Lymphopenie kämen viele differentialdiagnostische Überlegungen in Frage, da die Lymphopenie zunächst eine unspezifische Reaktion darstelle. Mögliche Differentialdiagnosen bei dieser laborchemisch dokumentierten Blutbildveränderung seien vielfältig, hingegen sei in diesem Fall jedoch die berufliche Exposition des Beschwerdeführers zu Noxen relevant (S. 12 Mitte). Bekannt sei, dass eine radiogene Exposition zu Lymphopenien führen könne und damit einen anerkannten Risikofaktor für die Entstehung von Blutbildveränderungen darstelle. Es gebe dabei keine anerkannte Schwellendosis der Strahlenexposition, die eine Schädigung, beispielswiese in Form einer Lymphopenie, bewirken könne. Dies beschreibe auch die Beschwerdegegnerin in ihrem eigenen Factsheet «Ionisierende Strahlung» in der vorliegenden Version von Dezember 2016 (S. 13 Mitte; vgl. Urk. 37/194/115-127). Ob die dokumentierte Lymphopenie in ursächlichem Zusammenhang mit der Strahlenexposition des Beschwerdeführers liege, könne anhand eines retrospektiven Aktenstudiums nicht mit letzter Sicherheit bewiesen werden. In Anbetracht der beruflichen Exposition und der Krankengeschichte des Beschwerdeführers sei jedoch ein Verdacht des kausalen Zusammenhangs nicht auszuschliessen (S. 13 unten f.).
4.5 Wie dem Gutachten von Dr. C.___ entnommen werden kann, beststeht zwischen einer Lymphopenie und den Prostata- und Blasenkarzinomen des Beschwerdeführers kein direkter Zusammenhang. PD J.___ und Assistenzarzt L.___ erläuterten, dass eine Lymphopenie eine unspezifische Reaktion darstelle und nannten eine Reaktion auf Karzinome als eine von 18 Differentialdiagnosen (S. 13). Selbst wenn - wie von den Gutachtern dargelegt - eine radiogene Exposition zu Lymphopenien führen könnte und beim Beschwerdeführer tatsächlich zur Lymphopenie geführt hätte, deutete das Vorliegen einer solchen nicht auf eine Tumorerkrankung hin. Mit der Argumentation Dr. C.___s, dass bei weiteren Abklärungen im Sinne einer engmaschigeren und intensiveren medizinischen Überwachung des Beschwerdeführers eventuell eine Früherkennung der Tumorerkrankungen möglich gewesen wäre, lässt sich kein Kausalzusammenhang zwischen fehlender Information und Tumorerkrankung rechtsgenüglich nachweisen, und auch PD J.___ und Assistenzarzt L.___ gingen mit dem nicht auszuschliessenden Verdacht auf einen Kausalzusammenhang lediglich von der Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs aus. Hinzu kommt, dass gemäss dem onkologischen Gutachten von PD J.___ und Assistenzarzt L.___ nach dem 29. Mai 2013 weitere, nicht von der Beschwerdegegnerin angeordnete Blutuntersuchungen vorgenommen wurden, nämlich am 13. Juni, 9. Juli und 16. September 2013 sowie am 12. Mai und 9. Juni 2015 (S. 4 lit. c). Selbst wenn der Beschwerdegegnerin eine Verletzung der Informationspflicht vorzuwerfen wäre, muss entgegen den eigenen Darstellungen des Beschwerdeführers (vgl. Urk. 37/155 S. 8 ff.) angenommen werden, dass dieser durch seine Hausärztin über die Resultate der Blutuntersuchungen und damit die tiefen Lymphozytenwerte unterrichtet war, ordnete sie doch wohl kaum weitere Blutanalysen an, ohne ihm den Grund dafür zu nennen. Dass sie ihn möglicherweise nicht über Ursachen und Folgen einer Lymphopenie aufklärte, mag daran liegen, dass es dafür mehrere Möglichkeiten gibt und der Beschwerdeführer im Juni 2013 eine Virusinfektion durchgemacht hatte, worauf die Lymphozytenwerte ab Juli 2013 wieder anstiegen (vgl. Urk. 37/155 S. 8 ff.).
5. Zusammenfassend fehlt der Schadenersatzforderung die Grundlage, fehlt es doch sowohl an der Widerrechtlichkeit als auch an einem Kausalzusammenhang. Eine Haftung der Beschwerdegegnerin besteht damit nicht, womit sie ihre Pflicht zur Leistung von Schadenersatz zu Recht verneint hat. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.
Das Gericht erkennt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Das Verfahren ist kostenlos.
3. Zustellung gegen Empfangsschein an:
- Rechtsanwalt Andreas Dobler
- Rechtsanwalt Prof. Dr. Walter Fellmann
- Bundesamt für Gesundheit
4. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG).
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen.
Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat (Art. 42 BGG).
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Die VorsitzendeDie Gerichtsschreiberin
Grieder-MartensTiefenbacher