Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Entscheid: KK.2024.00022 [Rechtsmittel hängig]

Sozialversicherungsgericht

des Kantons Zürich

KK.2024.00022


I. Kammer

Sozialversicherungsrichter Bachofner als Einzelrichter
Gerichtsschreiber Würsch

Urteil vom 25. Februar 2025

in Sachen

X.___

Kläger


vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Viktoria Lantos-Kramis

PST Legal AG

Baarerstrasse 10, 6302 Zug


gegen


Helsana Zusatzversicherungen AG

Zürichstrasse 130, 8600 Dübendorf

Beklagte


vertreten durch Helsana Versicherungen AG

Recht & Compliance

Postfach, 8081 Zürich Helsana








Sachverhalt:

1.    X.___, geboren 1970, war ab dem 1. Mai 2022 bei der Y.___ AG in einem 80%-Pensum als Radiologiefachmann angestellt (Urk. 2/3, Urk. 9/1) und über diese bei der Helsana Zusatzversicherungen AG (nachfolgend: Helsana) im Rahmen einer kollektiven Krankentaggeldversicherung gemäss dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) taggeldversichert (vgl. Urk. 9/42 [Allgemeine Vertragsbedingungen, AVB], Urk. 9/43 [Police]). Vereinbart war bei einer Leistungsdauer von maximal 730 Tagen abzüglich einer 90-tägigen Wartefrist pro Fall ein Krankentaggeld von 90 % des versicherten Lohns (Urk. 9/43).

    Mit Krankmeldung vom 9. Mai 2023 orientierte die Arbeitgeberin die Helsana über die krankheitsbedingte Arbeitsniederlegung des Versicherten ab dem 27. März 2023 (Urk. 9/1). Das Arbeitsverhältnis löste sie per 30. September 2023 auf (Kündigungsschreiben vom 20. April und 26. Juni 2023, Urk. 2/7 f.). Die Helsana richtete nach Ablauf der Wartefrist Krankentaggelder aus (Urk. 9/44). In ihrem Auftrag untersuchte Dr. med. Z.___, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, den Versicherten am 14. Juli 2023 (Urk. 2/11 [= Urk. 9/27]). Daraufhin teilte die Helsana dem Versicherten am 26. Juli 2023 schriftlich mit, dass sie ihre Taggeldleistungen per 1. August 2023 einstelle, da ab diesem Zeitpunkt für die angestammte Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber wieder eine 100%ige Arbeitsfähigkeit bestehe (Urk. 2/10 [= Urk. 9/30]). Dagegen opponierte der Versicherte, namentlich auch unter Anrufung der Ombudsstelle Krankenversicherung (Urk. 2/12 f., Urk. 9/32). Die Helsana hielt zuletzt mit Schreiben vom 5. Dezember 2023 an der Leistungseinstellung fest (Urk. 9/41; vgl. auch Urk. 2/16).


2.    Mit Eingabe vom 25. März 2024 erhob X.___ Klage gegen die Helsana mit dem Rechtsbegehren, diese sei zu verpflichten, ihm zwei Monatsgehälter für die Monate August und September 2023 in der Höhe von insgesamt Fr. 10'719.-- brutto abzüglich der gesetzlichen und vertraglichen Sozialabzüge sowie Quellensteuer zu bezahlen (Urk. 1 S. 2). Mit Klageantwort vom 14. Juni 2024 schloss die Beklagte auf Abweisung der Klage (Urk. 8), worauf der Kläger mit Replik vom 25. Juli 2024 an seinem Rechtsbegehren festhielt (Urk. 12). Selbiges tat die Beklagte mit Duplik vom 12. September 2024 (Urk. 16), worüber der Kläger mit Verfügung vom 16. September 2024 in Kenntnis gesetzt wurde (Urk. 17).



Der Einzelrichter zieht in Erwägung:

1.

1.1    Am 1. Januar 2022 ist das revidierte Versicherungsvertragsgesetz (nVVG) in Kraft getreten. Gemäss der Übergangsbestimmung in Art. 103a nVVG gelten für Verträge, die vor dem Inkrafttreten der Änderung vom 19. Juni 2020 abgeschlossen worden sind, die folgenden Bestimmungen des neuen Rechts: die Formvorschriften (lit. a) und das Kündigungsrecht nach den Artikeln 35a und 35b nVVG (lit. b). Alle anderen Bestimmungen gelten lediglich für neu abgeschlossene Verträge (vgl. die Botschaft zur Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes vom 28. Juni 2017, BBl 2017 5089 ff., 5136; vgl. auch Stephan Fuhrer, Deutliche Verbesserungen für die Kunden von Versicherungen, in: Plädoyer 2/2021, S. 40 ff., S. 49).

    Der Versicherungsvertrag, welcher der vorliegenden Streitsache zugrunde liegt (Urk. 9/43), wurde am 1. Januar 2023 und somit nach dem Inkrafttreten des revidierten Versicherungsvertragsgesetzes abgeschlossen. Damit gelangen die Bestimmungen des VVG zur Anwendung, wie sie seit 1. Januar 2022 Geltung haben. Sie werden daher nachfolgend, soweit nichts anderes vermerkt ist, in dieser Fassung zitiert.

1.2    Des Weiteren ist am 1. Januar 2025 die revidierte Zivilprozessordnung (nZPO) in Kraft getreten (vgl. die Botschaft zur Änderung der Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 26. Februar 2020, BBl 2020 2697 ff.). Gemäss der Übergangsbestimmung in Art. 407f nZPO gelten die dort explizit aufgeführten Gesetzesbestimmungen auch für Verfahren, die bei Inkrafttreten der Änderung rechtshängig sind. Da das vorliegende Verfahren bereits am 24. März 2024 (Urk. 1) hängig gemacht wurde, werden die Bestimmungen der ZPO im Folgenden mit Ausnahme der in Art. 407f nZPO genannten Bestimmungen in der Fassung zitiert und angewendet, wie sie bis zum 31. Dezember 2024 Geltung hatten.


2.

2.1

2.1.1    Das Sozialversicherungsgericht ist als einzige kantonale Gerichtsinstanz für Klagen über Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) zuständig (Art. 7 der Schweizerischen Zivilprozessordnung, ZPO, in Verbindung mit § 2 Abs. 2 lit. b des Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht, GSVGer; BGE 138 III 2 E. 1.2.2), ohne dass vorgängig ein Schlichtungsverfahren durchzuführen ist (BGE 138 III 558 E. 4). Das Verfahren richtet sich nach der ZPO, wobei das vereinfachte Verfahren zur Anwendung gelangt (Art. 243 Abs. 2 lit. f ZPO).

2.1.2    Die Regelung der örtlichen Zuständigkeit im Bereich der Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung findet sich in Art. 32 ZPO. Demnach ist bei Streitigkeiten aus Konsumentenverträgen das Gericht am Wohnsitz oder Sitz einer der Parteien zuständig (Art. 32 Abs. 1 lit. a ZPO; vgl. Feller/Bloch, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur ZPO, 3. Aufl., Art. 32 N. 45 ff.). Die Beklagte hat ihren Sitz im Kanton Zürich (vgl. Urk. 2/2), womit die örtliche Zuständigkeit des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich gegeben ist.

2.1.3    Da der Streitwert Fr. 30’000.-- nicht übersteigt, fällt die Beurteilung der Klage in die einzelrichterliche Zuständigkeit (§ 11 Abs. 1 GSVGer).

2.2    Gemäss Art. 8 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) hat, wo es das Gesetz nicht anders bestimmt, derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. Demgemäss hat die Partei, die einen Anspruch geltend macht, die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen, während die Beweislast für die rechtsaufhebenden beziehungsweise rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Tatsachen bei der Partei liegt, die den Untergang des Anspruchs behauptet oder dessen Entstehung oder Durchsetzbarkeit bestreitet. Diese Grundregel kann durch abweichende gesetzliche Beweislastvorschriften verdrängt werden und ist im Einzelfall zu konkretisieren (BGE 128 III 271 E. 2a/aa). Sie gilt auch im Bereich des Versicherungsvertrags. Nach dieser Grundregel hat der Anspruchsberechtigte - in der Regel der Versicherungsnehmer, der versicherte Dritte oder der Begünstigte - die Tatsachen zur «Begründung des Versicherungsanspruches» (Marginalie zu Art. 39 VVG) zu beweisen, also namentlich das Bestehen eines Versicherungsvertrags, den Eintritt des Versicherungsfalls und den Umfang des Anspruchs. Den Versicherer trifft die Beweislast für Tatsachen, die ihn zu einer Kürzung oder Verweigerung der vertraglichen Leistung berechtigen (beispielsweise wegen schuldhafter Herbeiführung des befürchteten Ereignisses: Art. 14 VVG) oder die den Versicherungsvertrag gegenüber dem Anspruchsberechtigten unverbindlich machen (z.B. wegen betrügerischer Begründung des Versicherungsanspruches: Art. 40 VVG). Anspruchsberechtigter und Versicherer haben im Streit um vertragliche Leistungen je ihr eigenes Beweisthema und hierfür je den Hauptbeweis zu erbringen (BGE 148 III 105 E. 3.1; BGE 130 III 321 E. 3.1). 2.3    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts obliegt es der versicherten Person zu beweisen, dass sie (weiterhin) arbeitsunfähig ist und daher Anspruch auf Taggelder hat, wenn die Versicherung zunächst Taggelder ausbezahlt hat und sodann geltend macht, die Umstände hätten sich geändert oder die Leistungen seien von vornherein zu Unrecht erbracht worden und die versicherte Person sei (wieder) arbeitsfähig (vgl. BGE 141 III 241 E. 3.1; Urteil des Bundesgerichts 4A_246/2015 vom 17. August 2015 E. 2.2). Den Versicherer trifft demgegenüber die Beweislast für Tatsachen, die ihn zu einer Kürzung oder Verweigerung der vertraglich vorgesehenen Leistung berechtigen oder die den Versicherungsvertrag gegenüber dem Anspruchsberechtigten unverbindlich machen (BGE 130 III 321 E. 3.1).


3.

3.1    Gegenstand der Klage vom 24. März 2024 bildet der Anspruch auf Krankentaggelder für die Zeit vom 1. August bis 30. September 2023 im Gesamtbetrag von Fr. 10'719.-- brutto (Urk. 1 S. 2, Urk. 12 S. 2). Zur Begründung dieses Anspruchs führte der Kläger im Wesentlichen an, er sei vom 27. März 2023 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2023 zu 100 % arbeitsunfähig gewesen, was durch Arztzeugnisse lückenlos belegt sei. Gemäss Art. 8.3 des Anstellungsreglements dauere der Lohnanspruch gegenüber der Arbeitgeberin bzw. der Beklagten als Krankentaggeldversicherung bis zu diesem Datum (Urk. 1 S. 6). Entgegen der Auffassung der Beklagten sei er nicht nur am bisherigen Arbeitsplatz, sondern generell arbeitsunfähig gewesen. Darüber hinaus verstosse Ziff. 23.10 AVB, wonach bei einer rein arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit, die lediglich einen Stellenwechsel zur Folge habe, kein Übergangstaggeld ausgerichtet werde, sowohl gegen die bundesgerichtliche Praxis als auch gegen Art. 324a Abs. 4 des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht, OR). Sie sei daher nichtig (Urk. 1 S. 7). Ferner sei ihm eine unrealistisch kurze Frist von faktisch einem Tag angesetzt worden, um eine neue Arbeitsstelle zu finden. Vor dem 30. September 2023 sei es ihm denn auch weder erlaubt gewesen, eine andere Arbeitsstelle anzunehmen, noch habe eine Verpflichtung hierzu bestanden (Urk. 1 S. 8).

3.2    In ihrer Klageantwort vom 14. Juni 2024 bestritt die Beklagte die geltend gemachte Forderung vollumfänglich. Sie stellte sich zusammengefasst auf den Standpunkt, ab dem 1. August 2023 habe in der angestammten Tätigkeit wieder eine volle Arbeitsfähigkeit bei jedem anderen (als dem bisherigen) Arbeitgeber bestanden (Urk. 8 S. 3). Aus dem Anstellungsreglement könne der Kläger keine Ansprüche gegenüber ihr, der Beklagten, ableiten (Urk. 8 S. 4). Ein Übergangstaggeld während einer Übergangsfrist sei angesichts von Ziff. 23.10 AVB nicht geschuldet, da eine rein arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit vorliege (Urk. 8 S. 6 und S. 9 f.).

3.3    Mit Replik vom 25. Juli 2024 hielt der Kläger insbesondere daran fest, dass keine rein arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe; diese sei vielmehr arbeitsplatzbedingt gewesen (Urk. 12 S. 4-6). Es werde zudem bestritten, dass selbst bei einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit keine Übergangsfrist zu gewähren sei. Der vertragliche Ausschluss in Ziff. 23.10 AVB sei mit der ständigen bundesgerichtlichen Praxis nicht vereinbar, wonach auch bei der Aufforderung zu einem Stellenwechsel eine Übergangsfrist zu gewähren sei (Urk. 12 S. 7, S. 9 und S. 11 f.).

3.4    Mit Duplik vom 12. September 2024 bekräftigte die Beklagte ihr Vorbringen, dass mit Blick auf die medizinischen Unterlagen eine rein arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Der Kläger habe seine Behauptung, in angestammter Tätigkeit bei jedem Arbeitgeber arbeitsunfähig gewesen zu sein, nicht genügend substantiiert (Urk. 16 S. 3 und S. 5-8). Ein Übergangstaggeld sei für derartige Fälle vertraglich ausgeschlossen worden. Aus der von ihm zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung könne der Kläger nichts zu seinen Gunsten ableiten, da den beurteilten Sachverhalten andere vertragliche Regelungen zu Grunde gelegen hätten (Urk. 16 S. 5 und S. 9 f.).


4.

4.1    In den AVB wird Arbeitsunfähigkeit definiert als die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit bedingte volle oder teilweise Unfähigkeit, im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich zumutbare Arbeit zu leisten. Nach sechs Monaten wird auch die zumutbare Tätigkeit in einem anderen Beruf oder Aufgabenbereich berücksichtigt (Ziff. 4.4, Urk. 9/42 S. 6). Laut Ziff. 15.2 AVB wird das Taggeld bei nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit von mindestens 25 % anteilsmässig entsprechend dem Grad der Arbeitsunfähigkeit ausgerichtet (Urk. 9/42 S. 10). In Ziff. 23.10 AVB wird auf die Schadenminderungspflicht der versicherten Person Bezug genommen. Demnach ist die versicherte Person, die in ihrem angestammten Beruf voraussichtlich dauernd voll oder teilweise arbeitsunfähig bleibt, dazu verpflichtet, ihre allfällig verbleibende Arbeitsfähigkeit zu verwerten, auch wenn dies einen Berufswechsel erfordert. Die Beklagte kann die versicherte Person zu einem Berufswechsel auffordern und ein Übergangstaggeld ausrichten. Die Aufforderung zu einem Stellenwechsel in angestammter Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber entspricht nicht einem Berufswechsel und löst keinen Anspruch auf ein Übergangstaggeld aus (Urk. 9/42 S. 13).

4.2

4.2.1    Unbestrittenermassen hat die Beklagte dem Kläger nach Ablauf der 90-tägigen Wartefrist Krankentaggelder aufgrund einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit ausgerichtet (Urk. 9/44). Erstellt ist des Weiteren, dass die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 2023 über die Einstellung der Taggeldleistungen per 1. August 2023 in Kenntnis gesetzt hat. Zur Begründung führte sie aus, ausgehend von der Beurteilung von Dr. Z.___ vom 14. Juli 2023 sei es dem Kläger nicht mehr möglich, an den aktuellen, gekündigten Arbeitsplatz zurückzukehren. Es handle sich um eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit. Demgegenüber sei es ihm möglich und zumutbar, in seiner angestammten Tätigkeit als Radiologie-Assistent bei einem anderen Arbeitgeber ab dem 1. August 2023 eine 100%ige Arbeitsleistung zu erbringen (Urk. 9/30 S. 1).

4.2.2    Nach Art. 38a Abs. 1 VVG ist der Anspruchsberechtigte verpflichtet, nach Eintritt des befürchteten Ereignisses tunlichst für Minderung des Schadens zu sorgen. Zur Erfüllung der Schadenminderungsobliegenheit kann ein Berufswechsel notwendig sein. Erwartet der Versicherer von der versicherten Person einen solchen Berufswechsel, muss er ihr dies mitteilen. Zusammen mit der Abmahnung zum Berufswechsel muss der versicherten Person eine angemessene Übergangsfrist eingeräumt werden, während derer sie sich anpassen und eine neue Stelle finden kann. Diesbezüglich hat sich in der sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung eine Frist von drei bis fünf Monaten etabliert, welche auch im Rahmen von Krankentaggeldversicherungen nach VVG Gültigkeit beansprucht (Urteil des Bundesgerichts 4A_384/2019 vom 9. Dezember 2019 E. 5.3 mit Hinweis auf BGE 133 III 527 E. 3.2.1 und weiteren Hinweisen; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4A_73/2019 vom 29. Juli 2019 E. 3.3.2 mit Hinweisen). Die zu gewährende Übergangsfrist dient nicht nur der Umschulung, sondern vielmehr generell der Anpassung und Stellensuche. Aus dem Zweck der Übergangsfrist folgt, dass während dieser Frist Taggelder weiterhin gemäss der Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf zu leisten sind (Urteil des Bundesgerichts 4A_73/2019 vom 29. Juli 2019 E. 3.3.3 mit Hinweisen).

4.2.3    Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass es dem Kläger krankheitsbedingt nicht mehr zuzumuten war, an seinen bisherigen Arbeitsplatz bei der Y.___ AG zurückzukehren (Urk. 8 S. 3, Urk. 16 S. 3). Unter Berufung auf Ziff. 23.10 AVB letzter Satz vertritt sie die Auffassung, dass ihm aufgrund der rein arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit keine Übergangsfrist zu gewähren gewesen sei (Urk. 8 S. 9 f., Urk. 16 S. 9 f.).

    Der Kläger erachtet Ziff. 23.10 AVB letzter Satz für nichtig, da dieser gegen die relativ zwingende Bestimmung von Art. 324a Abs. 4 OR (in Verbindung mit Art. 362 Abs. 1 OR) verstosse (Urk. 1 S. 7). Dem hält die Beklagte zu Recht entgegen (Urk. 8 S. 7 und S. 9), dass diese Gesetzesbestimmung auf das arbeitsrechtliche Verhältnis zwischen der ehemaligen Arbeitgeberin und dem Kläger anwendbar ist, nicht jedoch unmittelbar auf dasjenige zwischen ihm und der Beklagten. Die Rechtsfolge einer allfällig nicht gleichwertigen Versicherungsdeckung ist eine die Lücke auszufüllende Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers, welche hier nicht zur Diskussion steht (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_592/2015 vom 18. März 2016 E. 5.4 mit Hinwiesen).

    Gleichwohl ist dem Kläger beizupflichten, dass Ziff. 23.10 AVB letzter Satz die Anwendung zu versagen ist. Er bringt zutreffend vor, dass die Wegbedingung des Taggeldes für eine Übergangsfrist für Fälle rein arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit mit der langjährigen bundesgerichtlichen Praxis nicht zu vereinbaren ist. So ist Art. 21 Abs. 4 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) als Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben auch für Privatversicherungen anwendbar. Von einem Versicherer, der einem Versicherten zunächst Taggelder ausrichtet, dann jedoch davon ausgeht, dessen Arbeitsunfähigkeit sei beendet, ist daher zu erwarten, dass er den Versicherten darüber informiert und er die Leistungen während der Frist weiterzahlt, welche zur tatsächlichen Wiederaufnahme der Berufstätigkeit erforderlich ist (Urteil des Bundesgerichts 4A_413/2021 vom 23. November 2021 E. 6 mit Hinweis). Diese Rechtsprechung bezieht sich zwar in erster Linie auf Berufswechsel, sie hat aber generell zum Ziel, versicherten Personen eine angemessene Übergangsfrist für die berufliche Anpassung und Stellensuche einzuräumen (vgl. vorstehende E. 4.2.2). Sie findet insbesondere auch auf Fälle arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit Anwendung (vgl. Urteile des Bundesgerichts 9C_177/2022 vom 18. August 2022, 4A_1/2020 vom 16. April 2020 und 4A_111/2010 vom 12. Juli 2010 sowie Urteil des hiesigen Sozialversicherungsgerichts KK.2022.00021 vom 14. Juli 2023).

    Hinzu kommt, dass die schadenmindernde Vorkehr realisierbar sein muss (Urteil des Bundesgerichts 9C_177/2022 vom 18. August 2022 E. 6.4). Selbst unter der Annahme, dass lediglich eine rein arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit vorliegt, war es dem Kläger wie von ihm vorgebracht (Urk. 1 S. 8, Urk. 12 S. 9) realistischerweise nicht möglich, nach Erhalt des Schreibens der Beklagten vom 26. Juli 2023 bereits per 1. August 2023 (einem Bundesfeiertag) eine neue Arbeitsstelle zu finden. Zu berücksichtigen ist in diesem Kontext überdies, dass er sich bis zum 30. September 2023 noch im bisherigen, wenn auch gekündigten, Arbeitsverhältnis mit der Y.___ AG befand (Urk. 2/7 f.). Von der Arbeit war er unbestrittenermassen nicht freigestellt (Urk. 1 S. 8, Urk. 12 S. 10).

4.2.4    Nach dem Gesagten ist somit festzuhalten, dass die Beklagte dem Kläger zu Unrecht keine Übergangsfrist gewährt hat, um eine neue Stelle in seiner angestammten Tätigkeit als Radiologie-Assistent bei einem neuen Arbeitgeber zu finden. Von dieser Obliegenheit konnte sie sich auf der Grundlage von Ziff. 23.10 AVB letzter Satz nicht befreien, da dieser eindeutig im Widerspruch zur einschlägigen bundesgerichtlichen Praxis steht, mit welcher die gesetzlichen Vorgaben von Art. 21 Abs. 4 ATSG und Art. 2 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) für den privatversicherungsrechtlichen Bereich konkretisiert wurden. Selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass ein blosser Stellenwechsel regelmässig weniger Zeit beanspruchen wird als ein Berufswechsel (Urteil des Bundesgerichts 9C_177/2022 vom 18. August 2022 E. 6.3), erweist sich die klageweise geltend gemachte Übergangsfrist bis 30. September 2023 vorliegend als angemessen, zumal sie unter der von der Praxis grundsätzlich etablierten drei- bis fünfmonatigen Frist liegt (vgl. vorstehende E. 4.2.2). Der Kläger hat demnach auch für die eingeklagte Zeitspanne von August bis September 2023 Anspruch auf Krankentaggelder. Dahingestellt bleiben kann vor diesem Hintergrund die von den Parteien aufgeworfene Frage, ob in der strittigen Periode lediglich eine arbeitsplatzbezogene oder eine generelle Arbeitsunfähigkeit bestand.


5.    Zu prüfen bleibt die Höhe des Taggeldanspruchs. Klageweise wurde die Forderung auf insgesamt Fr. 10'719.-- beziffert, wobei sich der Kläger zur Berechnung seines Anspruchs auf Ziff. 8.2 und Ziff. 8.3 des Anstellungsreglements der Arbeitgeberin stützte (Urk. 1 S. 6-8, Urk. 2/9). Die Beklagte äusserte sich ihrerseits nicht näher zum Forderungsbetrag bzw. zur Berechnungsweise, da sie den Taggeldanspruch ab August 2023 vollumfänglich bestritt (Urk. 8 S. 10).

    Der Kläger verkennt, dass sich der Taggeldanspruch gegenüber der Beklagten nicht nach dem Anstellungsreglement richtet, da dieses als integrierender Bestandteil des Arbeitsvertrages (Urk. 2/3) lediglich das Verhältnis zwischen ihm und seiner ehemaligen Arbeitgeberin betrifft. Vielmehr finden in diesem Zusammenhang die Regelungen in den AVB Anwendung, namentlich Ziff. 25.1-25.2 bezüglich Berechnung des Taggeldes (Urk. 9/42 S. 13). Dementsprechend hat die Beklagte das bis 31. Juli 2023 ausgerichtete Taggeld von Fr. 192.65 anhand des letzten vom Kläger vor dem Beginn des Leistungsfalles bezogenen Lohns ermittelt (Fr. 78'140.40 [{Fr. 5'492.-- + Fr. 457.65 + Fr. 562.05} x 12] : 365 x 0.9; vgl. Urk. 9/1, 9/44). Auf dieser Grundlage würde für den strittigen Zeitraum vom 1. August bis 30. September 2023 eine höhere Taggeldforderung resultieren, als vom Kläger geltend gemacht. Da das Gericht einer Partei jedoch in Anbetracht der geltenden Dispositionsmaxime nicht mehr zusprechen darf, als sie verlangt (Art. 58 Abs. 1 ZPO), bleibt es im Ergebnis beim eingeklagten Forderungsbetrag.


6.    Zusammenfassend hat der Kläger für den Zeitraum vom 1. August bis 30. September 2023 Anspruch auf Krankentaggelder in Höhe der eingeklagten Fr. 10'719.--. Die Klage ist daher gutzuheissen.


7.

7.1    Das Verfahren ist kostenlos, da es eine Streitigkeit aus einer Krankentaggeldversicherung betrifft, welche unter den Begriff der Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung nach dem KVG zu subsumieren ist (vgl. Art. 114 lit. e ZPO in Verbindung mit § 33 Abs. 1 GSVGer und das Urteil des Bundesgerichts 4A_680/2014 vom 29. April 2015 E. 2.1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 142 V 448 E. 4.1).

7.2

7.2.1    Beide Parteien beantragten die Zusprechung einer Parteientschädigung (Urk. 1 S. 2, Urk. 8 S. 2). Die Parteientschädigung umfasst den Ersatz der notwendigen Auslagen, die Kosten einer berufsmässigen Vertretung sowie in begründeten Fällen eine angemessene Umtriebsentschädigung, wenn eine Partei nicht berufsmässig vertreten ist (Art. 95 Abs. 3 ZPO).

    Die Kantone sind zuständig, die Tarife für die Prozesskosten festzusetzen (Art. 96 ZPO). Das zürcherische Ausführungsgesetz zur ZPO, das Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG), enthält keine für das Sozialversicherungsgericht anwendbare Tarifbestimmung (vgl. 7. Titel des GOG). Dasselbe gilt für die zürcherische Verordnung über die Anwaltsgebühren. Diese regelt ausdrücklich nur die Parteientschädigungen vor den Schlichtungsbehörden, den Zivilgerichten und den Strafbehörden. Die Bemessung der Parteientschädigung richtet sich somit nach § 34 des Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht (GSVGer) sowie den §§ 1, 5 und 7 der Verordnung über die Gebühren, Kosten und Entschädigungen vor dem Sozialversicherungsgericht (GebV SVGer). Gemäss § 34 Abs. 3 GSVGer ist die Höhe der gerichtlich festzusetzenden Entschädigung nach der Bedeutung der Streitsache, der Schwierigkeit des Prozesses und dem Mass des Obsiegens, jedoch ohne Rücksicht auf den Streitwert festzusetzen.

7.2.2    Der anwaltlich vertretene Kläger obsiegt vollumfänglich. Eine Honorarnote wurde nicht eingereicht. Unter Berücksichtigung der dargelegten Kriterien rechtfertigt es sich, dem Kläger ermessensweise eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu Lasten der Beklagten zuzusprechen.



Der Einzelrichter erkennt:

1.    In Gutheissung der Klage wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. August 2023 bis 30. September 2023 Krankentaggelder im Gesamtbetrag von Fr. 10'719.-- zu bezahlen.

2.    Das Verfahren ist kostenlos.

3.    Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Parteientschädigung von Fr. 3’000.-- (inkl. Barauslagen und MWST) zu bezahlen.

4.    Zustellung gegen Empfangsschein an:

- Rechtsanwältin Dr. Viktoria Lantos-Kramis

- Helsana Versicherungen AG

- Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA

5.    Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom siebenten Tag vor Ostern bis und mit dem siebenten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit dem 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG).

    Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen.

    Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden Partei oder ihrer Rechtsvertretung zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat (Art. 42 BGG).


Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich


Der EinzelrichterDer Gerichtsschreiber




BachofnerWürsch