Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Entscheid: IV.2021.00312

Sozialversicherungsgericht

des Kantons Zürich

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IV.2021.00312






III. Kammer

Sozialversicherungsrichter Gräub, VorsitzenderSozialversicherungsrichterin SlavikErsatzrichterin Tanner ImfeldGerichtsschreiberin Fonti

Urteil vom 24. Juni 2022

in Sachen

X.___

Beschwerdeführerin

vertreten durch Y.___

iclaims.ch, International Claims Alliance

Reismühleweg 55d, 8409 Winterthur

gegen

Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle

Röntgenstrasse 17, Postfach, 8087 Zürich

Beschwerdegegnerin

Sachverhalt:

1.    X.___, geboren 1973, arbeitete zuletzt in einem Pensum von 65 % als Betriebsmitarbeiterin bei der Z.___ AG und geht seit dem 23. Dezember 2018 (Verkehrsunfall mit Heckauffahrkollision) keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Am 23. Februar 2019 meldete sie sich wegen Beschwerden im Zusammenhang mit dem genannten Unfall bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an (Urk. 12/12). Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle, tätigte medizinische und berufliche Abklärungen (insb. Urk. 12/12; Urk. 12/36-37; Urk. 12/51; Urk. 12/62; Urk. 12/71-72) und holte die Akten des Unfallversicherers (Urk. 12/18; Urk. 12/48; Urk. 12/70) und des Krankentaggeldversicherers (Urk. 12/69; Urk. 12/82; Urk. 12/89) ein.

    Am 12. Februar 2020 teilte sie mit, dass keine Eingliederungsmassnahmen möglich seien, da sich die Versicherte nicht eingliederungsfähig fühle (Urk. 12/68). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren (Urk. 12/98; Urk. 12/106) verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 26. März 2021 (Urk. 2) einen Anspruch auf eine Invalidenrente.

2.    Dagegen liess die Versicherte, vertreten durch Y.___, am 10. Mai 2021 (Urk. 1) Beschwerde erheben mit den folgenden Anträgen:

«1.    Die Verfügung vom 26. März 2021 sei aufzuheben.

2.    Der Anspruch auf Versicherungsleistungen der Beschwerdeführerin sei anzuerkennen und ihr sei eine volle Invalidenrente zu gewähren.

3.    Eventualiter sei die Angelegenheit an die Sozialversicherungsanstalt Zürich, IV-Stelle, zurückzuweisen, mit dem Auftrag, die erforderlichen Sachverhaltsabklärungen zur sachgerechten Verifizierung der Krankengeschichte zugunsten des seitens der Beschwerdeführerin bestehenden Leistungsanspruchs vorzunehmen.

4.    Es seien sämtliche Akten der Beschwerdegegnerin beizuziehen und der Beschwerdeführerin eine angemessene Frist zur Stellungnahme zu den seit ihrem Einwand vom 1. Februar 2021 von der Beschwerdegegnerin neu eingeholten Akten zu gewähren.

5.    Der Beschwerdeführerin sei die unentgeltliche Rechtsvertretung zu gewähren.

6.    Der der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der vorliegenden Beschwerde entstandene Vertretungsaufwand sowie allfällig entstandene Verfahrenskosten seien ihr von der Beschwerdegegnerin vollumfänglich zu entschädigen.»

    Mit Beschwerdeantwort vom 30. Juni 2021 (Urk. 11) schloss die Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Beschwerde, was der Beschwerdeführerin am 5. Juli 2021 (Urk. 13) mitgeteilt wurde.

3.    Die Axa Versicherungen AG (AXA) als obligatorischer Versicherer nach dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) verneinte ihre Leistungspflicht im Zusammenhang mit dem gemeldeten Unfallereignis vom 23. Dezember 2018 mit Einspracheentscheid vom 30. November 2020 über den 23. März 2019 hinaus. Die dagegen am 25. Januar 2021 erhobene Beschwerde wies das hiesige Gericht mit heutigem Urteil (Prozessnummer UV.2021.00027) ab.

Das Gericht zieht in Erwägung:

1.

1.1    Am 1. Januar 2022 sind die geänderten Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG), der Verordnung über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSV), des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) sowie der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV) in Kraft getreten.

    In zeitlicher Hinsicht sind vorbehältlich besonderer übergangsrechtlicher Regelungen grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei Erfüllung des rechtlich zu ordnenden oder zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 146 V 364 E. 7.1, 144 V 210 E. 4.3.1, je mit Hinweisen). Da ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles in der Regel auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung beziehungsweise des streitigen Einspracheentscheids eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 144 V 210 E. 4.3.1, 132 V 215 E. 3.1.1, je mit Hinweisen), sind vorliegend die bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Rechtsvorschriften anwendbar, die nachfolgend auch in dieser Fassung zitiert werden.

1.2.    Anspruch auf eine Rente haben gemäss Art. 28 Abs. 1 IVG Versicherte, die:

a.    ihre Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten oder verbessern können;

b.    während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 % arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG) gewesen sind; und

c.    nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 % invalid (Art. 8 ATSG) sind.

1.3    Der Invaliditätsgrad bemisst sich gemäss Art. 28a Abs. 1 IVG bei erwerbstätigen Versicherten nach Art. 16 ATSG (Einkommensvergleich).

    Bei nicht erwerbstätigen Versicherten, die im Aufgabenbereich tätig sind, wird gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung für die Bemessung des Invaliditätsgrades darauf abgestellt, in welchem Masse sie unfähig sind, sich im Aufgabenbereich zu betätigen (Betätigungsvergleich).

    Bei Versicherten, die nur zum Teil erwerbstätig sind, wird der Invaliditätsgrad gemäss Art. 28a Abs. 3 IVG für diesen Teil nach Art. 16 ATSG festgelegt. Sind sie daneben mutmasslich auch im Aufgabenbereich tätig, so wird der Invaliditätsgrad für diese Tätigkeit nach dem Betätigungsvergleich festgelegt. In diesem Fall sind der Anteil der Erwerbstätigkeit und der Anteil der Tätigkeit im Aufgabenbereich festzulegen und der Invaliditätsgrad in beiden Bereichen zu bemessen (gemischte Methode).

1.4    Sowohl bei der erstmaligen Prüfung des Rentenanspruchs als auch bei der Rentenrevision und im Neuanmeldungsverfahren ist die Methode der Invaliditätsbemessung (Art. 28a IVG) zu bestimmen (BGE 144 I 28 E. 2.2, 117 V 198 E. 3b).

    Die für die Methodenwahl (Einkommensvergleich, gemischte Methode, Betätigungsvergleich) entscheidende Statusfrage, nämlich ob eine versicherte Person als ganztägig oder zeitweilig erwerbstätig oder als nichterwerbstätig einzustufen ist, beurteilt sich danach, was die Person bei im Übrigen unveränderten Umständen täte, wenn keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde. Entscheidend ist somit nicht, welches Ausmass der Erwerbstätigkeit der versicherten Person im Gesundheitsfall zugemutet werden könnte, sondern in welchem Pensum sie hypothetisch erwerbstätig wäre. Bei im Haushalt tätigen Versicherten im Besonderen (vgl. Art. 27 IVV) sind die persönlichen, familiären, sozialen und erwerblichen Verhältnisse ebenso wie allfällige Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern, das Alter, die beruflichen Fähigkeiten und die Ausbildung sowie die persönlichen Neigungen und Begabungen zu berücksichtigen. Massgebend sind die Verhältnisse, wie sie sich bis zum Erlass der Verwaltungsverfügung entwickelt haben, wobei für die hypothetische Annahme einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-)Erwerbstätigkeit der im Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 144 I 28 E. 2.3, 141 V 15 E. 3.1, 137 V 334 E. 3.2, 125 V 146 E. 2c, 117 V 194 E. 3b).

    Die Beantwortung der Statusfrage erfordert zwangsläufig eine hypothetische Beurteilung, die auch die hypothetischen Willensentscheidungen der versicherten Person zu berücksichtigen hat. Diese Entscheidungen sind als innere Tatsachen wesensmässig einer direkten Beweisführung nicht zugänglich und müssen in der Regel aus äusseren Indizien erschlossen werden (vgl. BGE 144 I 28 E. 2.4; Urteil des Bundesgerichts 8C_178/2021 vom 11. Mai 2021 E. 3.2 mit Hinweisen).

1.5    Das Gesetz regelt nicht, welche Beschäftigungen unter den Begriff der Tätigkeit in einem Aufgabenbereich nach Art. 28a Abs. 2 und 3 IVG fallen. Gemäss Art. 27 Abs. 1 IVV gelten als Aufgabenbereich der im Haushalt tätigen Versicherten die übliche Tätigkeit im Haushalt sowie die Pflege und Betreuung von Angehörigen. Nicht dazu gehören reine Freizeitbeschäftigungen (BGE 142 V 290 E. 5). Ist ein Aufgabenbereich «Haushalt» vorhanden, so wird dessen Anteil nicht in Abhängigkeit vom Umfang der im Aufgabenbereich anfallenden Arbeiten festgesetzt; vielmehr entspricht er grundsätzlich der Differenz zwischen dem Erwerbsanteil und einem Pensum von 100 % (BGE 141 V 15 E. 4.5). Bei mutmasslich teilzeitlich erwerbstätigen Versicherten ohne Betreuungspflichten darf nach der Rechtsprechung der Anteil der Nichterwerbstätigkeit nicht ohne Weiteres als (nicht versicherte) Freizeit qualifiziert werden. Vielmehr ist im Rahmen der Sachverhaltsabklärung festzustellen, ob auch ohne Gesundheitsschaden regelmässig übliche Tätigkeiten im Haushalt verrichtet worden wären. Trifft dies zu, ist von einem Aufgabenbereich Haushalt auszugehen und die Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode vorzunehmen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 9C_487/2021 vom 8. März 2022 E. 4.2.2 und E. 4.2.3).

1.6    Bei der Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit stützt sich die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Ärztliche Aufgabe ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis).

2.    

2.1    Die Beschwerdegegnerin stellte in der angefochtenen Verfügung fest, dass die Beschwerdeführerin mutmasslich zu 65 % erwerbstätig wäre und qualifizierte die verbleibenden 35 % als Freizeitbereich. Sie führte mit Verweis auf das bidisziplinäre (orthopädische und psychiatrische) Gutachten zuhanden des Krankentaggeldversicherers vom 26. Mai und 2. Juni 2020 (Urk. 12/82/6-43) aus, dass die Beschwerdeführerin in einer sitzenden Tätigkeit noch vor Ablauf des Wartejahres zu 100 % arbeitsfähig gewesen sei. Nach einer Gewichtsreduktion sei auch von einer vollen Arbeitsfähigkeit für stehende und gehende Tätigkeiten auszugehen. Sie ermittelte einen Invaliditätsgrad von 0 % und verneinte einen Anspruch auf eine Invalidenrente.

2.2    Demgegenüber liess die Beschwerdeführerin vorbringen (Urk. 1), dass sie seit dem Unfallereignis am 23. Dezember 2018 insbesondere wegen permanenten Nacken-, Brustwirbelsäulen (BWS)- und Lendenwirbelsäulen (LWS)-Schmerzen, Steifigkeit und eingeschränkter Beweglichkeit der Halswirbelsäule (HWS), Schmerzen in der linken Schulter und einer erheblichen psychiatrischen Störung vollständig arbeitsunfähig sei, was aufgrund der fachärztlichen Berichte des Unfallversicherers und des Krankentaggeldversicherers nachgewiesen sei. Sinngemäss sprach sie sich wiederum gegen die Beweiswertigkeit des bidisziplinären Gutachtens zuhanden des Krankentaggeldversicherers aus. Insbesondere seien Art und Ausmass der psychischen Beschwerden nicht detailliert abgeklärt worden (Ziff. 7-9). Ausserdem liess sie monieren, dass diverse somatische Beschwerden bestünden, hinsichtlich derer der medizinische Sachverhalt nicht hinreichend abgeklärt sei (Ziff. 4). Weiter sei ihr das rechtliche Gehör nicht gewährt worden, indem ihr keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich im Einwandverfahren zur neuerlichen RAD-Stellungnahme zu äussern (Ziff. 5 und 10).

2.3    Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin den Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Invalidenrente zu Recht verneint hat.

3.    

3.1    Die angefochtene Verfügung erweist sich - angesichts der neueren Rechtsprechung - bereits bei der Wahl der Invaliditätsbemessungsmethode als fehlerhaft. Die Beschwerdeführerin hatte anlässlich des Standortgesprächs am 26. April 2019 angegeben, dass sie keine Betreuungsaufgaben habe und das ausgeübte Pensum von 65 % «einfach so gekommen sei». Bei guter Gesundheit hätte sie in diesem Rahmen weitergearbeitet. Sie habe während der Schulzeiten Vollzeit gearbeitet und in den Schulferien die Überzeit wieder abgebaut (Urk. 12/22 S. 2). Die Beschwerdegegnerin qualifizierte sie in der Folge mangels Betreuungsaufgaben als mutmasslich zu 65 % erwerbstätig, wobei sie beim verbleibenden Pensum von 35 % von (nichtversicherter) Freizeit ausging (Urk. 12/111 S. 11). Diese Folgerung ist nicht nachvollziehbar. Aus den Akten geht hervor, dass die Beschwerdeführerin seit ihrem Unfall im Dezember 2018 von einer Kollegin Hilfe im Haushalt erhält. Die Kollegin erledige den Haushalt, bügle, koche und putze. Ohne diese Unterstützung sei die Beschwerdeführerin nach ihren eigenen Angaben «aufgeschmissen» (Urk. 12/48/83; vgl. auch Urk. 12/22 S. 4). Die geschilderten Umstände lassen den Schluss zu, dass die Beschwerdeführerin ohne Gesundheitsschaden regelmässig übliche Tätigkeiten im Haushalt verrichtet hätte. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist bei der Beschwerdeführerin deshalb neben dem Erwerbsbereich ein Aufgabenbereich Haushalt zu bejahen und die Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode vorzunehmen (E. 1.5).

3.2    Nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist auch das mutmassliche Erwerbspensum von 65 %. Die Beschwerdeführerin war zwar im Zeitpunkt der Anmeldung zum Leistungsbezug bei der Z.___ AG als Betriebsmitarbeiterin in einem Pensum von 65 % angestellt. Vor dieser Anstellung arbeitete sie von 2016 bis Juni 2017 als Verkäuferin in einem Pensum von 80 % (Urk. 12/12 Ziff. 5.4). Ebenfalls erzielte sie im Jahr 2018 neben der Beschäftigung bei der Z.___ AG bei der A.___ AG ein Einkommen von Fr. 3'029.--, wo sie bis zur Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen jeweils dienstags in einem Umfang von zwei bis dreieinhalb Stunden Reinigungsarbeiten erledigt hatte (Urk. 12/17/3). In den rund zehn Jahren vor der Anmeldung zum Leistungsbezug hatte die Beschwerdeführerin gemäss Auszug aus dem Individuellen Konto (IK) oft in verschiedenen Kleinpensen Anstellungen im Bereich Reinigung und Verkauf inne, die sich regelmässig mit dem Bezug von Arbeitslosentaggeldern abwechselten. In Kenntnis der im Jahr 2018 ausgeübten Nebentätigkeit neben der 65 %-Anstellung und der vom Umfang her sehr unterschiedlichen früheren Tätigkeiten hätte die Aussage der Beschwerdeführerin, dass sie bei guter Gesundheit «so weitergearbeitet hätte», in Bezug auf das mutmassliche Pensum im Erwerbsbereich von Seiten der Beschwerdegegnerin zumindest genauerer Nachfrage bedurft. So hätte zum Beispiel auch eine Information darüber, in welchem Umfang sie in Zeiten der Arbeitslosigkeit Stellen gesucht hatte, Aufschluss darüber gegeben, in welchem mutmasslichen Pensum sie als Gesunde tätig wäre und welches Pensum dem Aufgabenbereich Haushalt zufällt.

    Die Sache ist daher an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie die mutmasslichen Pensen im Erwerbs- und Aufgabenbereich festlege.

3.3    Danach wird die Beschwerdegegnerin ergänzende Abklärungen hinsichtlich der gesundheitlichen Einschränkungen im Erwerbsbereich und im Haushalt tätigen müssen, da sich diese, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, gestützt auf die vorhandene Aktenlage nicht beurteilen lassen.

    Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass dem bidisziplinären Gutachten zuhanden des Krankentaggeldversicherers vom 26. Mai und 2. Juni 2020 (Urk. 12/82/6-43), auf das sich die angefochtene Verfügung stützt, im Hinblick auf die neu vorzunehmende Bemessung der Invalidität nach der gemischten Methode kein Beweiswert zukommt.

    Zwar ist den vom Krankentaggeldversicherer nicht im gesetzlich vorgesehenen Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten Gutachten nicht per se der Beweiswert abzusprechen, sondern kommt ihnen nach der Rechtsprechung der Beweiswert versicherungsinterner ärztlicher Feststellungen zu (Urteil des Bundesgerichts 8C_71/2016 vom 1. Juli 2016 E. 5.3). Diesen hat die Rechtsprechung stets Beweiswert zuerkannt, aber betont, dass ihnen nicht dieselbe Beweiskraft wie einem im Verfahren nach Art. 44 ATSG vom Versicherungsträger in Auftrag gegebenen Gutachten beizumessen ist (BGE 125 V 351 E. 3a). Soll ein Versicherungsfall ohne Einholung eines externen Gutachtens entschieden werden, so sind an die Beweiswürdigung strenge Anforderungen zu stellen. Bestehen auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen, so sind ergänzende Abklärungen vorzunehmen (BGE 122 V 157 E. 1.d)

    Dr. med. B.___, Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, führte am 2. Juni 2020 im Rahmen ihres orthopädischen Teilgutachtens und der zusammenfassenden bidisziplinären Beurteilung aus (Urk. 12/82/6-19), dass sie nach Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin das Hauptproblem im geschätzten Übergewicht von etwa 35 kg (bei Adipositas Grad II) sehe (S. 8 und 9). Rezidivierende Beschwerden der Wirbelsäule seien möglich bei Fehlstatik, Haltungsinsuffizienz, muskulärem Hartspann und völlig verschmächtigter Rumpfmuskulatur (S. 8 unten). Leistenschmerzen/Hüftgelenksbeschwerden links seien möglich und sollten abgeklärt werden (S. 9 Mitte). Eine drastische Gewichtsreduktion sei dringend notwendig (S. 9). Aus orthopädischer Sicht ergebe sich ab sofort eine volle Arbeitsfähigkeit ohne Einschränkungen der Leistungsfähigkeit für überwiegend sitzende Tätigkeiten mit Steigerung der Belastbarkeit auch für gehende und stehende Tätigkeiten im Verlauf der Gewichtsabnahme (S. 9).

    Vom 4. bis 29. Juni 2019 befand sich die Beschwerdeführerin zur stationären psychosomatischen Rehabilitation im Rehazentrum C.___ (Urk. 12/51/12-19). Im Austrittsbericht wurden insbesondere die folgenden Diagnosen genannt:

- Zervikospondylogenes Syndrom links

- Periarthropathia humeroscapularis tendopathica vom Supraspinatustyp

- Chronisches lumbospondylogenes Syndrom links

    Die involvierten Ärzte empfahlen eine berufliche Reintegration im niedrigprozentigen Pensum von 30 %.

    Der behandelnde Rheumatologe Dr. med. D.___, FMH Rheumatologie, FMH Physikalische Medizin, führte in seinem Bericht vom 5. November 2019 (Urk. 12/72/8-9) zuhanden des Hausarztes der Beschwerdeführerin, med. pract. E.___, Allgemeinmedizin FMH, aus, dass bei ihr mittlerweile ein chronifiziertes Schmerzsyndrom bestehe. Dreimal wöchentlich erfolge eine physikalische Therapie, die keine wesentliche Besserung zu erzielen scheine. Aus rheumatologisch-somatischer Sicht teile er die Einschätzung der Davoser Ärzte, dass ein Arbeitsversuch zu 30 % zumutbar sei.

    In ihrer orthopädischen Beurteilung hat sich Dr. B.___ weder hinsichtlich der Diagnosestellung noch der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit mit diesen fachärztlichen Einschätzungen auseinandergesetzt. Vielmehr stützte Dr. B.___ ihre Einschätzung der Leistungsfähigkeit einzig auf das geschätzte Übergewicht von etwa 35 kg, was demgegenüber von den behandelnden Ärzten in keinem der in den Akten befindlichen Berichte je thematisiert wurde. Im Rahmen der Systemanamnese notierte Dr. F.___ bereits am 22. Oktober 2017 (Urk. 12/51/2-3) ein Gewicht von 82 kg. Weder in den Berichten der Hausärzte med. pract. E.___ (Urk. 12/36/1; Urk. 12/72/4-5) und Dr. G.___ (Urk. 12/46), noch der behandelnden Rheumatologen Dr. med. F.___, FMH Rheumatologie, FMH Innere Medizin (Urk. 12/36/2-3) und Dr. D.___ (Urk. 12/36/4; Urk. 12/51; Urk. 12/72/8-9) noch des behandelnden Psychiaters Dr. med. H.___ wurde das bekannte und sich kontinuierlich erhöhende Übergewicht je als leistungsmindernd erwähnt. Die involvierten Somatiker sahen die Ursache für eine Leistungseinschränkung vielmehr in den verschiedenen chronifizierten Schmerzen im Bereich des Rückens und der linken Schulter. Zu dieser Diskrepanz äusserte sich Dr. B.___ nicht. Auch der Stellungnahme von Dr. med. I.___, Facharzt für Chirurgie, vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) der Beschwerdegegnerin lässt sich dazu nichts entnehmen. Damit kann offenbleiben, wie es sich mit der Einschätzung im psychiatrischen Teilgutachten verhält, da nach dem Gesagten konkrete Indizien gegen die Schlüssigkeit und Zuverlässigkeit der orthopädischen Expertise und Dr. B.___s zusammenfassenden bidisziplinären Beurteilung bestehen, weshalb auf das Gutachten für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsbereich nicht abgestellt werden kann. Ebenso wenig lässt sich die der Beschwerdeführerin zumutbare Arbeitsleistung im Erwerbsbereich gestützt auf die Berichte der behandelnden Ärzte festlegen, da insbesondere hinsichtlich des empfohlenen Wiedereinstiegs in einem Pensum von 30 % unklar ist, woraus sich die 70-prozentige Einschränkung aus medizinischer Sicht ergibt.

    Zum Bereich Haushalt lässt sich unter Berücksichtigung der medizinischen Aktenlage einzig festhalten, dass gestützt auf die Einschätzung von Dr. B.___, wonach aufgrund des Übergewichts lediglich sitzende Tätigkeiten möglich seien, Anhaltspunkte für gewisse Einschränkungen bestehen. Es ist zudem zu beachten, dass nach der Rechtsprechung die von einer qualifizierten Person durchgeführte Abklärung vor Ort (nach Massgabe von Art. 69 Abs. 2 IVV) für gewöhnlich die geeignete und genügende Vorkehr zur Bestimmung der gesundheitlichen Einschränkung im Haushalt darstellt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 9C_201/2011 vom 5. September 2011 E. 2).

    Damit sind sowohl im Erwerbsbereich wie auch im Haushalt ergänzende Abklärungen hinsichtlich der gesundheitlichen Einschränkungen und der Leistungsfähigkeit erforderlich.

3.4    Zusammengefasst ist die Sache damit an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit diese die mutmasslichen Pensen im Erwerbs- und Aufgabenbereich festlege, die gesundheitlichen Einschränkungen im Erwerbsbereich und im Haushalt abkläre und die Invalidität neu bemesse, was zur Gutheissung der Beschwerde in diesem Sinn führt.

4.    

4.1    Da es im vorliegenden Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von IV-Leistungen geht, ist das Verfahren kostenpflichtig. Die Gerichtskosten sind nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert festzulegen (Art. 69 Abs. 1bis IVG) und auf Fr. 800.-- anzusetzen. Nach ständiger Rechtsprechung gilt die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zur weiteren Abklärung und neuen Verfügung als vollständiges Obsiegen (BGE 137 V 57). Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird bei diesem Verfahrensausgang gegenstandslos.

4.2    Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens ist die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, der Beschwerdeführerin eine angemessene Prozessentschädigung zu bezahlen, welche in Anwendung von Art. 61 lit. g ATSG, namentlich unter Berücksichtigung der Bedeutung der Streitsache und der Schwierigkeit des Prozesses und unter Anwendung des für Vertreterinnen und Vertreter ohne abgeschlossenes juristisches Studium üblichen Stundensatzes von Fr. 145.-- (zuzüglich 7.7 % MWSt) auf Fr. 1'400.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) festzusetzen ist.

Das Gericht erkennt:

1.    In Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung vom 26. März 2021 aufgehoben und die Sache an die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle zurückgewiesen, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch der Beschwerdeführerin neu verfüge.

2.    Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. Rechnung und Einzahlungsschein werden der Kostenpflichtigen nach Eintritt der Rechtskraft zugestellt.

3.    Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin eine Prozessentschädigung von Fr. 1’400.-- (inkl. Barauslagen und MWSt) zu bezahlen.

4.    Zustellung gegen Empfangsschein an:

- Y.___

- Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle

- Bundesamt für Sozialversicherungen

sowie an:

- Gerichtskasse (im Dispositiv nach Eintritt der Rechtskraft)

5.    Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG).

    Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen.

    Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat (Art. 42 BGG).

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich

Der VorsitzendeDie Gerichtsschreiberin

GräubFonti